2. Teil: Verschattung einer Photovoltaik-Anlage muss (manchmal) hingenommen werden – trotz Ukrainekrieg

16.03.2023 – Wieder gab es eine Entscheidung zum Thema Verschattung einer Photovoltaikanlage. Solange Abstandsgebote eingehalten werden, ist diese hinzunehmen, entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschluss vom 20.12.2022 – 2 B 1103/22).

Da half auch nicht der Einwand mit dem Ukrainekrieg.


Drohende Verschattung durch Mehrfamilienhaus

Im südöstlichen Nordrhein-Westfalen war ein Hauseigentümer verärgert. Der Grundstücksnachbar hatte eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohnungen erhalten. Was würde aus seiner Photovoltaikanlage werden, fürchtete er. Er habe doch sogar vorgehabt, diese zu einer Solarthermieanlage auszubauen. Jetzt drohe ihm eine Verschattung. Und damit ein Wertverlust der Immobilie.

Schließlich zog der Hauseigentümer vor Gericht. Vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg klagte er gegen die Baugenehmigung für seinen Nachbarn. Und damit der in der Zeit bis zu einem Urteil nicht schon vollendete Tatsachen baut, führte er gleichzeitig ein zweites Verfahren. Ein Eilverfahren, mit dem die Fortführung der begonnenen Bauarbeiten bis zu einer Entscheidung in der Klagesache untersagt werden sollten.

In der ersten Instanz, vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg, ging es in Sachen Eilverfahren nicht gut aus. Es „seien auch Verschattungseffekte regelmäßig hinzunehmen, wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen – wie vorliegend – eingehalten würden“, entschied das Gericht.

Der Hauseigentümer gab nicht auf und legte Beschwerde ein zum Oberverwaltungsgericht NRW. Vergeblich. Aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts:

“Die Beschwerdebegründung der Antragsteller gibt keinen Anlass, von dieser (zutreffenden) im Einzelnen noch weitergehend begründeten (und insoweit nicht - jedenfalls nicht substantiiert - in Frage gestellten) Bewertung des Verwaltungsgerichts abzuweichen.“


Ukrainekrieg ändert Rechtslage nicht

Da half auch nicht der Einwand, seit Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022 sei eine Stromkrise ausgebrochen. Immobilienbesitzer hätten jetzt möglichst viel erneuerbare Energie selber zu gewinnen und zu nutzten. Noch einmal aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts:

“Ohne Erfolg wenden sich die Antragsteller auch gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die mit dem Vorhaben verbundenen Verschattungswirkungen ihnen in den gegebenen Grundstücksverhältnissen zumutbar seien. Sie machen gelten, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen der Prüfung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme nicht hinreichend berücksichtigt, dass das streitgegenständliche Bauobjekt des Beigeladenen zu 1. durch eine von ihm ausgehende (teilweise) Verschattung zu einer entsprechenden Nichtauslastbarkeit der auf der Westseite des Gebäudedaches der Antragsteller befindlichen Photovoltaikanlage und zur Verhinderung des geplanten Ausbaus dieser Anlage zur Solarthermieanlage und damit zu einem Wertverlust der Immobilie der Antragsteller führe, was ebenfalls im Klageverfahren nötigenfalls durch ein Sachverständigengutachten festzustellen sein werde. Denn die vom Verwaltungsgericht […] zitierten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts NRW stammten aus den Jahren 2010, 2017 und 2021. Dabei sei aber völlig außer Acht gelassen worden, dass sich seit dem Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 die energetische Situation extrem verschärft habe (Strom- und Gaskrise); der Gesetzgeber fordere daher nunmehr, dass Immobilienbesitzer möglichst viel erneuerbare Energie selbst gewönnen und nutzten.

Auch diese Einwände der Antragsteller bleiben jedoch erfolglos […]

Darüber hinaus zeigen die Antragsteller auch keinen konkreten baunachbarrechtlichen Ansatzpunkt auf, aus dem sich ergäbe, dass im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme bereits bestehenden Photovoltaikanlagen auf Hausdächern und ihrem geplanten Ausbau zu Solarthermieanlagen ein besonderes Gewicht bzw. ein Vorrang gegenüber einem zulässigen Bauvorhaben, das insbesondere die Abstandsflächen des § 6 BauO NRW einhält, zukäme. Das pauschale Vorbringen, der Gesetzgeber fordere seit dem Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022, dass Immobilienbesitzer möglichst viel erneuerbare Energie selbst gewönnen und nutzten, reicht hierzu ersichtlich nicht aus. Im Übrigen haben die Obergerichte auch nach dem Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 an ihrer bis dahin schon bestehenden Rechtsprechung festgehalten, dass bei Einhaltung der bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen gegenüber einem Grundstück mit einem mit einer Photovoltaikanlage ausgerüstetem Gebäude auch eine vorhabenbedingte teilweise Verschattung der Anlage grundsätzlich nicht als Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu werten ist.“


Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar

Dass sich im noch laufenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg das Blatt zu Gunsten des Hauseigentümers wendet, dürfte nach den Erfahrungen in der Praxis nicht zu erwarten sein. Hat doch das Oberverwaltungsgericht mit seiner Begründung schon gute Argumente dafür geliefert, warum die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben werde.

Die Entscheidung ist zum nordrhein-westfälischen Baurecht ergangen. Die Rechtslage ist aber in anderen Bundesländern identisch.



Auch in weiteren Bau-News-Beitragen haben wir uns mit dem Thema Photovoltaikanlagen beschäftigt:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.06.2014: Solaranlage ja – doch den Nachbarn darf sie nicht (allzusehr) blenden]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 05.09.2017: 2. Teil: Solaranlage ja – doch den Nachbarn darf sie nicht (allzusehr) blenden]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 30.11.2022: Verschattung einer Photovoltaik-Anlage muss (manchmal) hingenommen werden]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 15.12.2022 - 3. Teil: Solaranlage ja – doch die Nachbarn darf sie nicht blenden]