An neuer Schließanlage nach Schlüsseldiebstahl beim Mieter muss sich (manchmal) Hauseigentümer beteiligen

11.10.2023 - Wer den Schlüssel zu einer Hausschließanlage verliert oder ihn sich durch eigenes Verschulden entwenden lässt, muss zahlen. Für eine neue Schließanlage, entschied das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG Brandenburg, Urteil vom 27.04.2023 – 10 U 100/22).

Der Eigentümer der Hausschließanlage muss sich aber entgegenhalten lassen, dass er durch dessen Austausch eine neue Anlage erhält. Mit etwa 3 % pro Jahr schätzte das Oberlandesgericht diesen Betrag ein.


Schlüssel entwendet und im Keller eingesperrt

Es war Anfang März 2020. Die Mieterin einer Eigentumswohnung im nordwestlichen Brandenburg begab sich gegen 17:00 Uhr in den Keller. Sie schloss die Kellertür auf und ließ den Schlüssel im Schloss der offenen Kellertür stecken. Dann begab sie sich in den anliegenden Waschmaschinenraum. Die Tür war angelehnt, so dass von außen nicht erkennbar war, dass in der Kellertür ein Schlüssel steckte. Eine unbekannte Person verschloss die Tür und sperrte ab. Der Mieterin fiel das auf, als sie den Keller verlassen wollte. Es war ihr nicht möglich, die Tür von innen zu öffnen. Der stecken gelassene Schlüssel, passend für Haustür, Kellergänge, Müllraum und Tiefgarage war verschwunden

Er gehörte zu einer Schließanlage, die 1996 geliefert worden war. Nach dem Schlüsselverlust kam es wiederholt zu Diebstählen in der Tiefgarage des Gebäudes.


In aller Gelassenheit Schloss ausgetauscht

Die Wohnungseigentümergemeinschaft handelte. Wenn auch mit Gelassenheit. 10 ½ Monate nach dem Diebstahl wurden die Schlösser ausgetauscht. Für knapp 6.700,00 €.

Diesen Betrag verlangten sie von dem Miteigentümer, bei dessen Mieterin der Schlüsselverlust eingetreten war. Doch die – genauer gesagt: deren Haftpflichtversicherung – zahlte nur 42,00 €.

Eine Einigung war außergerichtlich nicht möglich. So kam es schließlich zu einem Prozess vor dem Landgericht Neuruppin, wo die Eigentümergemeinschaft versuchte, den Restbetrag einzuklagen. Dort lief es nicht gut für sie. Sie verlor.

Doch sie gab nicht auf und legte Berufung ein, zum Brandenburgischen Oberlandesgericht in der gleichnamigen Stadt Brandenburg. Dort sah man die Angelegenheit differenzierter als in Neuruppin.


Fahrlässig, Schlüssel stecken zu lassen

Zum einen sei es fahrlässig gewesen, dass die Mieterin den Schlüssel von außen in der Kellertür stecken ließ. Aus dem Urteil:

“Der Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Das Verhalten der Streithelferin, den Schlüssel von außen in der Kellertür während ihres Aufenthalts stecken zu lassen, ist fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB. Die verkehrsübliche Sorgfalt gebietet es, einen Schlüssel sorgsam zu verwahren […]. Das Steckenlassen des Schlüssels von außen wird der Verwahrungspflicht nicht mehr gerecht, weil so Fremden der Zugriff auf den Schlüssel ermöglicht wird. Die Unannehmlichkeit, die damit verbunden ist, den Schlüssel in den Keller mitzunehmen und ihn dann zum Absperren erneut einstecken zu müssen, ist dabei auch nicht so erheblich, dass dies die Inkaufnahme des Risikos rechtfertigt und das Steckenlassen der verkehrsüblichen Sorgfalt entsprechen würde.“


Fortbestehende Mißbrauchsgefahr

Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei auch berechtigt gewesen, die gesamte Schließanlage auszutauschen und nicht nur einen einzelnen Schlüssel. Noch einmal aus der Entscheidung:

“Der Klägerin ist durch die Pflichtverletzung auch ein Schaden entstanden […] Ein ersatzfähiger Schaden entsteht aber dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht, unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen darf, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornimmt […]

Die Klägerin durfte sich hierzu auch zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen. Diese ergibt sich daraus, dass der Diebstahl im Haus selbst erfolgte und der Schlüssel damit zuordenbar war. Die Missbrauchsgefahr entfällt auch nicht deswegen, weil die Streithelferin geltend macht, als Dieb komme nur eine Person aus dem Haus in Betracht. Ein anderer Hausbewohner verfügte zwar schon vor dem Diebstahl über einen eigenen Schlüssel, so dass die Einbruchsgefahr durch eine solche Person durch einen weiteren Schlüssel für die Gemeinschaft nicht höher wird, als er/sie es schon vorher war. Die bloße Möglichkeit, dass der Dieb ein Hausbewohner sein könnte, reicht aber nicht aus, um die Befürchtung zu zerstreuen, dass eine hausfremde Person den Schlüssel entwendet hat. Aus dem Vortrag der Streithelferin ergibt sich auch nicht, dass der Diebstahl durch einen Hausbewohner sicher wäre. Nicht ausreichend ist insoweit, dass man zur Kellertür nur kommt, wenn man vorher das Haus betritt. Denn üblicherweise werden Häuser den ganzen Tag über auch durch fremde Personen, etwa Besucher der Bewohner oder Lieferanten betreten und verlassen. Es ist daher möglich, dass eine hausfremde Person das Haus betreten und die Gelegenheit des Schlüsseldiebstahls ergriffen hat. Soweit die Streithelferin vorträgt, weder sie noch die Nachbarn hätten zu diesem Zeitpunkt Personen bemerkt, die das Haus betreten hätten, so ist dieser Einwand nicht erheblich, weil Personen auch unbemerkt das Haus hätten betreten können. Dass die Nachbarn der Streithelferin ihre Aufmerksamkeit nicht ständig auf das Geschehen im Treppenhaus richteten, ergibt sich im Übrigen eindrucksvoll daraus, dass die Streithelferin nach ihrem Vortrag ca. 10 Minuten rufen und klopfen musste, bis nur durch Zufall Nachbarn vorbeikamen und sie befreiten. Erst Recht gilt das für den Vortrag der Streithelferin, sie selbst habe niemanden gehört. Da irgendeine Person den Schlüssel entwendet haben muss und die Streithelferin selbst dies nicht bemerkt haben will, können aus ihrer fehlenden Wahrnehmung keine Schlussfolgerungen dazu gezogen werden, dass und ob jemand das Haus von außen betreten hat […]

Für ein bestehendes und bei Austausch eines Teils der Anlage noch fortdauerndes Missbrauchsrisiko spricht im Übrigen auch die […] Tatsache, dass es nach dem Diebstahl der Schlüssel zu vermehrten Diebstählen aus der Tiefgarage gekommen ist.

Das Missbrauchsrisiko dauerte zum Zeitpunkt des Austauschs der Schließanlage jedenfalls aufgrund der erfolgten Diebstähle auch noch an, obwohl der Austausch erst 10,5 Monate nach dem Diebstahl erfolgte. Für einen Dieb kann auch noch Monate bzw. Jahre nach der Entwendung die missbräuchliche Verwendung des Schlüssels sinnvoll sein, da Gemeinschaftsräume ständig mit neuen Gegenständen belegt werden und selbst nach einem Einbruch in einen einzelnen Keller der Einbruch in andere Kellerabteile versucht werden könnte […]

Der Klägerin ist ein Schaden in Höhe von 6.669,71 € entstanden. Die Klägerin durfte sich veranlasst sehen, die streitgegenständlichen Aufwendungen zur Wiederherstellung der Sicherheit der Anlage zu tätigen. Der zu ersetzende Schaden erfasst dabei - über die bereits ersetzten Kosten eines Ersatzschlüssels in Höhe von 42,00 € hinaus - nicht nur die Kosten für den offensichtlich erforderlichen Austausch des Zylinders für das Schloss der Streithelferin, sondern auch die weiteren Kosten für den teilweisen Austausch der Schließanlage. Dem Vortrag der Klägerin, dass solche Zylinder ausgetauscht wurden, die mit dem verlorenen Schlüssel aufgeschlossen werden konnten, sowie Zylinder für andere Wohnungen, die zwar selbst nicht mit dem verlorenen Schlüssel aufgeschlossen werden konnten, deren zugehörige Schlüssel aber Haustür etc. aufschließen und daher bei einem Austausch der Zylinder für diese Türen ebenfalls ausgetauscht werden müssen, ist der Beklagte nicht ausreichend entgegengetreten […]“


Vorteilsausgleich Neu für Alt

Allerdings müsse sich die Eigentümergemeinschaft einen sogenannten Vorteilsausgleich entgegenhalten lassen. Schließlich sei die Schließanlage nicht mehr neu gewesen, während sie durch den Austausch eine funktionsfähige, neue Anlage erhalten habe. Bei dem Alter der Schließanlage müsse sie sich etwa 3 % pro Jahr abziehen lassen, zusammen etwa ¾ des Preises der neuen Schließanlage. Aus dem Urteil:

“Die Klägerin kann allerdings nicht mehr als 1/4 der ihr entstandenen Kosten, also 1.667,30 €, vom Beklagten verlangen, weil ein Vorteilsausgleich in Höhe von 3/4 der Anschaffungskosten vorzunehmen ist. Wird eine gebrauchte Sache durch eine neue ersetzt, kann dies zu einer Wertsteigerung führen, die die Schadensersatzpflicht mindert, soweit hierdurch eine messbare Vermögensmehrung eingetreten ist und sich diese Werterhöhung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt […]

Eine solche Wertsteigerung ergibt sich für den Senat im vorliegenden Fall daraus, dass der Austausch der Anlage die Sicherungsfunktion der Schließanlage deutlich verbessert hat. Durch den Austausch der Anlage hat die Klägerin eine Schließanlage erhalten, bei der nunmehr alle Schlüssel nachweisbar sind und der deswegen eine sehr hohe Sicherungsfunktion zukommt. Vor dem Austausch der Anlage hatte die Anlage aus den oben genannten Gründen zwar eine Sicherungsfunktion, der Senat muss aber davon ausgehen, dass diese Sicherungsfunktion aufgrund des Verlusts von Schlüsseln in den letzten 24 Jahren ihrer Nutzung zwar nicht aufgehoben, aber erheblich beeinträchtigt war.“


Entscheidung ist rechtskräftig

Inhaltlich bringt das Brandenburger Urteil nicht Neues. Dass man sich einen Vorteilsausgleich abziehen lassen muss, wenn man für seine schon ältere Anlage etwas Neues erhält, entspricht dem, was auch schon früher in der Rechtsprechung vertreten wurde. Allenfalls bei der Höhe schwanken die Entscheidungen. Hier werden zwischen 3 % und 5 % pro Jahr als Abzugsposten angenommen.





Rund um das Thema Schlüssel ging es in weiteren Bau-News-Beiträgen:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 11.04.2017: Schlüsseldienst zockte ab – Geld kann zurück verlangt werden]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 30.05.2017: Abzocke durch Schlüsseldienst – Strafanzeige hilft nicht]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 09.11.2018 - Urteil: Bauträger muss Schließkarte und Schließplan herausgeben]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.07.2019: Auch wenn es im Mietvertrag steht – Haustür darf nicht verschlossen werden]