Architekt muss (manchmal) über seine Vorstrafe aufklären
06.02.2023 – Muss ein Architekt seine Kunden darüber informieren, dass er vorbestraft ist? In bestimmten Fällen schon. Das entschied das höchste Berliner Zivilgericht, das Kammergericht (KG, Urteil vom 13.01.2023 – 21 U 50/22).
Der Architekt war zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden; wegen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit einer Bautätigkeit.
Herr G, seine Mutter und ein heftiger Streit
Vereinfacht ging es um Folgendes: in Berlin sanierte eine Projektentwicklungsgesellschaft Wohngebäude. Sie beauftragte eine Architektenfirma. In dieser war ein Architekt, ein Herr G, Alleingesellschafter, seine Mutter war Geschäftsführerin.
Bald geritten die Projektgesellschaft und die Architektenfirma in Streit. Der Architekt sei im Verzug, behauptete die Projektgesellschaft. Sie kündigte und gab als Begründung einen „wichtigem Grund“ an. Die Architektengesellschaft forderte nun unter anderem eine Vergütung.
Warum auch immer, ein Jahr später erfuhr der Geschäftsführer der Projektgesellschaft von der Vorstrafe des Architekten. Darauf erklärte er die Anfechtung der Verträge mit dem Architekten wegen arglistiger Täuschung.
Architektengesellschaft verliert Zahlungsklagen
Die Architektengesellschaft verklagte die Projektgesellschaft vor dem Landgericht Berlin auf Zahlung der von ihr ausgerechneten Vergütung. Rund 145.000 EUR wollte man haben. Doch der Prozess ging nicht gut aus für sie. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sei rechtens, urteilte das Landgericht. Es gäbe deshalb keine Vergütung.
Die Architektengesellschaft gab nicht auf und legte Berufung ein, zum Kammergericht. Dort lief es auch nicht besser. Aus dem Urteil des Kammergerichts:
“Die Klägerin hat die Beklagte arglistig getäuscht, indem sie ihr vor Vertragsschluss nicht den Umstand offenbarte, dass ihr Alleingesellschafter G […] wegen Bestechlichkeit rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, die er zur Zeit des Vertragsabschlusses im offenen Verzug verbüßte.
Allerdings besteht eine Pflicht zu ungefragter Aufklärung vor Vertragsschluss dann, wenn es um eine Tatsache geht, die für die Willensbildung der anderen Seite offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung ist, sodass die Mitteilung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise erwartet werden durfte […] Davon ist insbesondere bei solchen Tatsachen auszugehen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können.
Nach diesen Voraussetzungen hätte die Klägerin die Beklagte über die Vorstrafe von Herrn G informieren müssen […]
Herr G war zwar nicht selbst Vertragspartei, aber er hatte - auch und gerade aus Sicht der Beklagten - maßgeblichen Einfluss auf die Erfüllung des Vertrags durch die Klägerin. Er hatte die Verträge unstreitig auf Seiten der Klägerin ausgehandelt und war auf deren Seite für ihre Durchführung hauptverantwortlich. Dies hat die Beklagten so vorgetragen, die Klägerin hat demgegenüber ausdrücklich eingeräumt, dass Herr G die „Abwicklung“ der Verträge „koordiniert“ habe […]. Außerdem ist er in den Überwachungsverträgen der X GmbH ausdrücklich als Projektverantwortlicher genannt […] Schließlich ist er Alleingesellschafter der Klägerin und der X GmbH und kann als solcher bzw. über die alleinige Geschäftsführerin, seine Mutter, Einfluss auf die Geschäftstätigkeit nehmen. Dass die Klägerin und die X GmbH bei der Erfüllung ihrer Aufgaben aus den Verträgen auch weitere Personen einschalten wollten, die zu ihrem eigenen Personal oder zu Subunternehmen gehörten, lässt den Einfluss von Herrn G auf die Vertragserfüllung gegenüber den Projektgesellschaften nicht entfallen.
Die Verurteilung von Herrn G zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit ist mit Blick auf die streitgegenständlichen Verträge einschlägig. Denn diese Verträge haben Aufgaben zum Gegenstand, bei denen es für den Auftraggeber von entscheidender Bedeutung ist, sich in vermögensrechtlichen Fragen und bei eventuellen Interessenwidersprüchen gegenüber anderen Baubeteiligten uneingeschränkt auf die Zuverlässigkeit der Klägerin bzw. der X GmbH verlassen zu können:
In den streitgegenständlichen Planungsverträgen verpflichtete sich die Klägerin unter anderem zu Leistungen der Leistungsphase 7 nach der HOAI […]. Somit übernahm es die Klägerin unter anderem, Angebote von Bauunternehmen für den Auftraggeber einzuholen, sie zu bewerten, Bietergespräche zu führen und Vergabevorschläge zu unterbreiten […]
In den streitgegenständlichen Überwachungsverträgen verpflichtete sich die X GmbH unter anderem zur Mitwirkung bei der Abwehr von Nachtragsangeboten, zur Mitwirkung bei der Prüfung der Rechnungen der ausführenden Bauunternehmen und zur Vorbereitung der Abnahme […]
Angesichts dieser Aufgabenstellung ist die Vorstrafe von Herrn G, die seine Bestechlichkeit bei der Rechnungs- bzw. Nachtragsprüfung zugunsten eines von ihm zu überwachenden Bauunternehmens betrifft, für die streitgegenständlichen Verträge unmittelbar einschlägig.“
Diese Entscheidung ist ein Einzelfall
Kein Architekt muss offenbaren, dass er vorbestraft ist – aber nur, wenn diese Vorstrafe nichts mit seiner Architektenleistung zu hat.
Mit dem Thema Architekt und Fragen rund um seine Tätigkeit haben wir uns in unserem Bau-News-Blog schon öfter beschäftigt. Hier eine kleine Auswahl:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.06.2019: Wenn der Bauherr schlauer als sein Architekt sein will...]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 20.05.2020: Architekt ist pleite – Streichung aus der Architektenliste]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 18.08.2020 - Verbraucher können (manchmal) Architektenvertrag widerrufen]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 06.12.2022: Ein Architekt muss nicht Kenntnisse eines Bau-Juristen haben]