Auch für "Schnäppchen" gibt es Käuferrechte

11.02.2022 – Wer eine Sache zu einem günstigen Preis kauft, muss nicht annehmen, dass sie von minderwertiger Qualität ist und dass keine Gewährleistung des Verkäufers besteht. Dies stellte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt, Urteil vom 19.10.2021 – 26 U 49/19) fest.

Es ging um ein Tischbohrwerk, das für rund 180.000 Euro gekauft worden war.


Tischbohrwerk für 178.500 EUR....

Im hessischen Norden bot im Sommer 2014 eine Firma einer anderen Firma ein gebrauchtes Tischbohrwerk, eine Metallverarbeitungsmaschine, zum Preis von 178.500,00 € zum Kauf an. Die Beschreibung las sich gut: es würde sich um ein „CNC-Tischbohrwerk in gutem Zustand nach Umrüstung/Umbauarbeiten“ handeln. 1991 war die Maschine gebaut worden.

Die Firma griff zu, kaufte das Gerät zum angebotenen Preis und zahlte es nach Erhalt der Rechnung Anfang 2015.

Das Gerät wurde dann weiter veräußert und beim Endkunden nach umfänglicher Montage am 07.01.2016 in Betrieb genommen.


... mit Lebensdauer von 30 Minuten

Doch dort dauerte die Freude über das neue Gerät ganze 30 Minuten. Es trat ein Schaden an der Spindel auf, der zur Abschaltung der Maschine führte. Ein Sachverständiger kam und stellte fest, dass wesentliche Teile der hydrostatischen Spindellagerung, der Ölkühlung sowie der Druck- und Temperaturüberwachung nicht mehr vorhanden waren.

Das Gerät ging vom Endkunden zur Käuferin. Von einem Fachunternehmen wurde für 35.000,00 € eine erste Reparatur durchgeführt. Weitere Kosten kamen hinzu.

Die Käuferin war schließlich mit dem Gerät ganz und gar nicht mehr zufrieden. Sie forderte den Kaufpreis zurück und Erstattung sämtlicher Auslagen, die sie in der Zwischenzeit hatte, zusammen knapp 297.000,00 €.

Die Verkäuferin wollte nicht zahlen, es kam zum Prozess. In der ersten Instanz, vor dem Landgericht Gießen ging es nicht gut aus für die Käuferin. Die Klage wurde abgewiesen. Doch die Käuferin gab nicht auf und legte Berufung ein, zum Oberlandesgericht in Frankfurt am Main.

Dort sah man die Sache anders als die Kollegen in Gießen. Die Argumente der Verkäuferin überzeugten das Gericht nicht. Sie hatte sich zum Beispiel darauf berufen, dass ein Gewährleistungsausschluss vereinbart worden sei: „Maschine gekauft, wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistungsansprüche“. Selbst wenn ein derartiger Gewährleistungsausschluss wirksam vereinbart worden sein soll, würde er hier nicht greifen, meinten die Frankfurter Richter. Aus dem Urteil:

“Dem Anspruch der Klägerin steht auch kein Gewährleistungsausschluss […] entgegen. Grundsätzlich kann in dem Passus "Maschinen gekauft, wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistungsansprüche" in der Rechnung vom 7. Januar 2015 […] allerdings ein Gewährleistungsausschluss gesehen werden. Ein solcher Haftungsausschluss kann auch konkludent und auch noch nach Vertragsschluss vereinbart werden

Ob die Parteien im Streitfall durch die zitierte Passage in der Rechnung und deren vorbehaltlose Bezahlung durch die Klägerin wirksam einen Gewährleistungsausschluss vereinbart haben, kann jedoch offenbleiben, da sich ein solcher nach der vorliegenden Klausel nur auf einen wahrnehmbaren Mangel beziehen würde und ein solcher Mangel hier gerade nicht vorliegt.

Gewährleistungsausschlüsse, die an die Wendung "wie besichtigt" anknüpfen, beziehen sich nämlich nur auf bei der Besichtigung wahrnehmbare, insbesondere sichtbare Mängel der Kaufsache. Wird dabei zugleich der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können und müssen […]

Im Streitfall liegt ein sichtbarer oder wahrnehmbarer Mangel gerade nicht vor. Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt, dass der Mangel im Rahmen eines Probelaufs lediglich dann hätte erkannt werden können, wenn man die Maschine auf einem bestimmten Fundament aufgestellt und zusammengebaut hätte, wobei auch "das Zusammenpassen der einzelnen Bauteile" geometrisch hätte vermessen werden müssen […] Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass es aufgrund der Eigenart des Fehlers nicht vorhersehbar war, wann es beim Einsatz der Maschine zum Schaden kommen würde […]

Aus den dargelegten Grundsätzen ergibt sich, dass versteckte Mängel von einer an die Besichtigung anknüpfenden Gewährleistungsausschlussklausel wie der im Streitfall gerade nicht erfasst sind, da sich der Gewährleistungsausschluss nach dem Wortlaut ("wie besichtigt") und dem Sinn und Zweck der Klausel lediglich auf sichtbare Mängel bezieht.“


Wer zum Sonderpreis kauft, muss nicht mit geringerer Qualität rechnen

Auch ein weiteres Argument der Verkäuferin überzeugte nicht. Die meinte, dass im Hinblick auf das Alter und die Betriebslaufzeit eine Gewährleistung konkludent ausgeschlossen worden sein soll. Noch einmal aus dem Urteil:

“Ein weiterreichender konkludenter Gewährleistungsausschluss ist im Streitfall auch eingedenk des Alters und der Betriebslaufzeit der Maschine nicht anzunehmen. Zum einen führt selbst der Umstand, dass eine Kaufsache zu einem ermäßigten Sonderpreis verkauft wird, nicht ohne Weiteres dazu, dass der Käufer mit einer minderwertigen Qualität und einem Ausschluss der Gewährleistungshaftung des Verkäufers rechnen muss […]. Zum anderen erscheint es mehr als fragwürdig, eine in einer Rechnung enthaltene schriftliche Gewährleistungsausschlussklausel, die sich - wie dargelegt - nicht auf versteckte Mängel erstreckt, über die Annahme eines weiterreichenden (vorherigen) konkludenten Gewährleistungsausschlusses zu überspielen.“

Schließlich kam noch die Behauptung, dass Werkzeuge immer ohne Gewährleistung verkauft würden. Das sei ein Handelsbrauch. Nur einen Satz benötigten die Frankfurter Richter, um mit der Behauptung umzugehen:

“Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich eines Handelsbrauches (§ 346 HGB) ist unsubstantiiert und damit unbeachtlich.“

Zwar nicht 297.000,00 €, aber immerhin knapp 260.000,00 € muss die Verkäuferin jetzt an die Käuferin zahlen. Und dazu Zinsen. Und die Kosten des Verfahrens.


Die Entscheidung ist richtig

Sie gilt nicht nur für Bohrwerke in der Hunderttausender-Euro-Klasse, sondern gleichermaßen für jeden Gebrauchtkauf. Auch im Bereich niedriger Euro-Beträge.