DIN-Normen sind nur Empfehlungen – Fitnessgeräte dürfen auf frisch verlegtem Studioboden nicht wackeln

DIN-Norm mitunter nur Minimum, manchmal nicht mal das


05.07.2023 – Eine DIN-Norm bedeutet nicht immer, dass sie auch wirklich dem aktuellen Stand der Technik entspricht. DIN-Normen sind keine rechtsverbindlichen Vorschriften. Sie sind technische Regeln mit Empfehlungscharakter. Eine DIN-Norm wird erst dann als allgemeine Regel der Technik gewertet, wenn sie von einer Mehrzahl von Fachleuten in Wissenschaft und Theorie als richtig anerkannt wurde und durch die ständige Anwendung in der Praxis. Manchmal setzt sich eine DIN-Norm in der Praxis gar nicht durch. Oder sie ist nicht mehr zeitgemäß, weil sich inzwischen ein besserer technischer Standard herausgebildet hat.



Eine Bauleistung, die trotz Einhaltung der einschlägigen DIN-Normen nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht, ist mangelhaft. Denn DIN-Normen können hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben. Das zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.04.2022 – 5 U 178/21; rechtskräftig nach Rücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH, Beschluss vom 16.11.2022 – VII ZR 108/22).

131.000 EUR muss eine Baufirma jetzt als Kostenvorschuss für eine Mängelbeseitigung zahlen. Obwohl sie unter Einhaltung der DIN-Normen gebaut hatte.


Ein 1000 Quadratmeter Fitnessstudio

In der Pfalz hatte eine Bauherrin im Sommer 2011 eine Baufirma mit der Errichtung der Räumlichkeiten für ein Fitnessstudio beauftragt. Kein Kleines. 1013 m² Bodenbelag waren zu verlegen.

Man hatte über die Vergabe und Vertragsordnung - VOB/B und VOB/C das Bauen in der maßgeblichen DIN-Norm vereinbart. An die hielt sich auch die Baufirma. Doch mit welchem Ergebnis! Der Boden war uneben. Den teils schweren Trainingsgeräten mussten später mit Bierdeckeln zu einem festen Stand verholfen werden.


Bierdeckel für die Fitnessgeräte

Die Baufirma fühlte sich unschuldig. Mehr als nach DIN-Norm zu bauen, könne von ihr nicht verlangt werden. Die Bauherrin wiederum sah einen derartigen Hallenboden als ungeeignet für ein Fitnessstudio an. Da dürften keine Trainingsgeräte wackeln und eine Bierdeckelunterstützung benötigen, meinte sie.

Die Baufirma besserte nicht nach. Es kam schließlich zu einem selbstständigen Beweisverfahren. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger erschien und stellt fest, dass zwar der Hallenboden unter Berücksichtigung der einschlägigen DIN 18202 gebaut worden war. Die Höhendifferenz des Bodenbelags würde auch innerhalb der zulässigen Toleranz in der DIN-Norm liegen. Es läge trotzdem eine Funktionsuntauglichkeit des Bodenbelages als Trainingsfläche eines Fitnessstudios vor. Es ginge nicht, dass man Trainingsgeräte mit Bierdeckeln zu einem festen Stand verhelfen müsse.


Boden soll neu gebaut werden

Nachdem das Gutachten vorlag, entschloss sich die Bauherrin, den Boden neu zu bauen. Mängelbeseitigungsarbeiten, Kosten für Aus- Einbau und Einlagerung sowie Betriebsausfallkosten würden sich auf rund 131.000 EUR beziffern, errechnete sie.

Die Baufirma zahlte nicht. Es kam zum Prozess vor dem Landgericht Frankental. Für die Baufirma ging er nicht gut aus. Sie wurde zur Zahlung verurteilt.

Doch sie gab nicht auf und legte Berufung ein, zum Oberlandesgericht Zweibrücken. Dort sahen die Richter im zuständigen Senat die Angelegenheit so, wie ihre Kollegen in der ersten Instanz. Sie wiesen die Berufung zurück. Aus dem Beschluss:

„Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) […]

Der Senat verweist zur Begründung auf seinen Beschluss vom 18.03.2022 und auf die Berufungserwiderung vom 21.02.2022. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 25.04.2022 ihre bereits geäußerten Rechtsauffassungen im Wesentlichen nochmals wiederholt und betont, dass zwischen den Parteien für die streitgegenständliche Fußbodenfläche keine Beschaffenheit "Sportboden" vereinbart worden sei. Ihre Rechtsansicht kann jedoch nicht überzeugen. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 25.04.2022 daran fest, dass der "unebene Fußboden" im streitgegenständlichen Hallenbereich ein Mangel darstellt. Lediglich klarstellend ist nochmals zu betonen:

Unabhängig von den Fragen, ob die Parteien die Leistungsgüte "Sportboden" für die Trainingsfläche und den Bistrobereich ausdrücklich vereinbart haben und ob die DIN-Norm nach dem zutreffend anzuwendenden Messverfahren eingehalten ist, schuldet die Beklagte vorliegend die Funktionsfähigkeit des Bodens, um auf ihm ein Fitnessstudio zu betreiben. Diese Funktionsfähigkeit ist nach der hinreichenden Überzeugung des Senats, die auch auf den Feststellungen des Sachverständigen basiert, nicht gegeben. Die Einschätzung des Sachverständigen ... überzeugt, dass trotz Einhaltung der Maßtoleranzen der DIN 18202 der Fußboden vor dem Hintergrund seiner konkreten Verwendung nicht den allgemeinanerkannten Regeln der Technik entspricht. Dies wird vorliegend auch darin offenbar, dass der stabile Stand von schweren Fitnessgeräten nicht gewährleistet ist, zumal hiermit auch eine erhöhte Unfallgefahr einhergeht und nach den Feststellungen des Sachverständigen die Herstellung eines weniger unebenen Bodens technisch erwartbar gewesen wäre.“


Rechtskräftige Entscheidung

Die Baufirma versuchte noch, die Angelegenheit zum höchsten deutschen Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof, zu bringen. Vergeblich.





Es ist nicht das erste Mal, dass sich herausstellt, dass DIN-Normen nicht oder nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Bereits vor 12 Jahren hatten wir in einem Bau-News-Beitrag darüber berichtet.

[Zum Bau-News-Beitrag vom 23.06.2011 – Bauherren sollten sich nicht von DIN-Normen verwirren lassen]


Auch zu anderen DIN-Normen als der, über die wir damals geschrieben hatten, gab es in den vergangenen Jahren Entscheidungen. Sie zeigen, dass DIN-Normen nicht immer das Nonplusultra darstellen. Mitunter sind sie nur ein Minimum, manchmal noch nicht einmal das.

[Zum Bau-News-Beitrag vom 05.01.2012: Gegen DIN-Norm verstoßen – nicht automatisch ein Baumangel]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 27.10.2013: Trotz Einhaltung der DIN-Normen – Treppenanlage kann mangelhaft sein]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.11.2013: Zu großer Spalt an Türzarge – Leistung kann trotz Einhaltung der DIN-Norm mangelhaft sein]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 03.12.2014: DIN-Norm nicht eingehalten – kommt es zum Schaden, wird Verschulden der Baufirma vermutet]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 11.06.2018 - Frisch sanierter Altbau vom Bauträger: Käufer kann modernen Schallschutz erwarten]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.11.2018 - Aufzug muss leise sein in "Stadtwohnung der Spitzenklasse]"