Die bloße Behauptung von Corona ist keine Entschuldigung für Bauverzögerungen

30.01.2023 – Wenn es auf dem Bau zu Verzögerungen kommt, haben Baufirmen mitunter ein ausuferndes Repertoire an Begründungen, warum sie damit nichts zu tun hätten. Mal war der Winter zu kalt, mal der Sommer zu warm und im Herbst habe es geregnet. In jüngster Zeit ist es die Corona-Pandemie, die an allem schuld war. Doch die bloße Behauptung von Corona ist noch keine Entschuldigung für Bauverzögerungen. Das stellte das höchste Berliner Zivilgericht, das Kammergericht (KG, Urteil vom 24.05.2022 – 21 U 156/21), fest.


Zwei Jahre Bauverzögerung

Ein Bauträger hatte in Berlin eine noch zu errichtende Wohneinheit am 09.03.2017 im Angebot. Für 505.000 € wurde sie verkauft. Die Wohnung war nach dem notariellen Vertrag bis zum 30.06.2018 bezugsfertig herzustellen.

Es verzögerte sich alles. Die Wohnung wurde erst zwei Jahre später, am 06.07.2020 übergeben. Auch dann waren die Käufer noch nicht zufrieden. Zum einen sei die Wohnung kleiner als vereinbart, meinten sie. Darauf soll in diesem Blog-Beitrag nicht näher eingegangen werden. Zum anderen aber wollten sie Schadensersatz für die verspätete Baufertigstellung. Sie hätten die Wohnung finanziert und die Bank hätte ihnen bis zur Auszahlung des Darlehens nach Fertigstellung der Wohnung Bereitstellungszinsen berechnet. Rund 7.000 €. Außerdem hätten sie eine Mietwohnung bewohnt, für die sie die Miete von Juli 2018 bis Juni 2020 haben wollten. Knapp 22.000 €.

Die Bauträgerfirma meinte, zwischen März 2020 und Juli 2020 hätten als Folge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Arbeiter aus diversen Ländern nicht nach Deutschland einreisen können, zudem konnten zahlreiche Baumaterialen nicht zeitgerecht geliefert werden. Nähere Erläuterung gab es hier nicht. Auch nicht, warum es zur Verspätung zwischen Sommer 2018 und Anfang 2020 gekommen war.


Arbeiter diverser Nationalitäten hätten Zielort nicht erreicht

Die Sache kam vor Gericht. In der ersten Instanz, vor dem Landgericht Berlin lief es nicht gut für die Bauträgerfirma. Sie legte Berufung ein. Doch in der nächsten Instanz, vor dem Kammergericht, ging es genauso schlecht für sie aus. Zwar könne Corona ein Grund für Bauzeitverzögerungen sein, stellte das Gericht fest. Doch dazu müsse man schon einiges mehr vortragen, als eine bloße Behauptung. Aus dem Urteil:

“Die Beklagte beruft sich darauf, dass ihr im Zeitraum März bis Juli 2020 die Fertigstellung der Wohnung durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie erschwert worden sei und sie ihren Fertigstellungsverzug insoweit nicht zu vertreten habe.

Daran ist zutreffend, dass ein Sachleistungsschuldner wie ein Bauunternehmer oder Bauträger die Verspätung seiner Leistung möglicherweise nicht zu verantworten hat, soweit sie auf eine schwerwiegende und nicht vorhersehbare Änderung der wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Rahmenbedingungen zurückgeht und für ihn unabwendbar ist.

Die abstrakte Möglichkeit derartiger Erschwernisse allein genügt aber nicht […] Der Unternehmer hat vorzutragen, welcher seiner Arbeitsabläufe durch einen solchen Umstand wann gestört wurde, wie lange die Störung andauerte und wie dies konkret die Fertigstellung der Arbeiten beeinflusst hat. Dabei ist zu beachten, dass die Störung eines einzelnen Ablaufs nicht zwangsläufig zur Verzögerung des Gesamtablaufs führen muss, nämlich dann nicht, wenn andere Abläufe, die von der Störung nicht betroffen sind, vorgezogen und der gestörte Ablauf nachgeholt werden kann, ohne dass sich die Gesamtfertigstellungszeit hierdurch verlängert.

Allerdings hat es die Beklagte unterlassen, konkret und mit Bezug auf den Ablauf ihres Bauvorhabens darzulegen, inwieweit sie durch unvorhersehbare coronabedingte Störungen an einer Fertigstellung der Wohnung vor dem tatsächlichen Übergabetermin, dem 6. Juli 2020 gehindert war. Sie hat sich nur pauschal darauf berufen, dass „Bauarbeiter diverser Nationalitäten ihren Zielort nicht erreichen“ konnten […], dass „Lieferketten, insbesondere für Baumaterialien bekanntlich unterbrochen“ gewesen seien […] sowie dass Hygienevorschriften und Abstandsregeln den Arbeitsfortschritt auf der Baustelle gehemmt hätten […]

Dies ist nicht ausreichend, weil vollständig unklar bleibt, welcher konkrete Arbeitsablauf auf der Baustelle durch welche Störungen ab wann beeinträchtigt war, wie lange die Störung andauerte und inwieweit dies Auswirkungen auf die hier in Rede stehende Leistung hatte, also die Fertigstellung der von den Klägern gekauften Wohnung Nr. 11.

Die Käufer erhielten Schadensersatz. Zwar nicht in der Höhe, die sie eingeklagt hatten. Aber das ist eine andere Frage.


Urteil ist rechtskräftig

Für Baufirmen, die sich auf die Corona-Pandemie beziehen, heißt diese Entscheidung nicht, dass sie damit niemals durchkommen. Sie müssen sich aber Mühe machen und Schritt für Schritt erläutern, welche Arbeitsabläufe durch welchen Umstand konkret gestört wurden, wie lange die Störung andauerte, warum man in der Zwischenzeit keine anderen Arbeiten durchführen konnte und wie das letztendlich die Fertigstellung der Arbeit beeinflusst hat.