Ein Bauunternehmen, dass einen Bauauftrag übernimmt, muss auch bauen

23.08.2023 – Wenn ein Bauunternehmen einen Bauauftrag übernimmt, muss es auch bauen. Erst recht, wenn es sich schon einen erheblichen Vorschuss hat aushändigen lassen. Diese Erfahrung machte in Hamburg eine Baufirma vor Gericht die weder die Baustelle mit der vereinbarten Mitarbeiterzahl besetzte, noch anfing zu bauen. Einen Vorschuss in Höhe von 60.000 € muss sie jetzt zurückzahlen, entschied das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (OLG Hamburg, Urteil vom 23.02.2023 – 4 U 54/22).


60.000 Materialvorauszahlung erhalten

In Hamburg war ein Fachunternehmen tätig. Für das Bauvorhaben „Pergolenviertel“ sollte es unter anderem Fliesenarbeiten ausführen. Das Unternehmen beauftragte damit als Nachunternehmerin eine andere Baufirma. Vorgesehen war dafür ein Pauschalfestpreis in Höhe von 175.000 €, wovon 60.000 € als Vorauszahlung für das zu verbauende Material geleistet werden sollten. Der Vertrag kam so im Februar 2020 zustande, die VOB/B - Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen wurde vereinbart.

Der Vorschuss wurde pünktlich bezahlt. Vereinbart war im Vertrag, dass die Nachunternehmerin die Baustelle mit täglich vier bis zehn Arbeitskräften zu besetzen habe.


Bauarbeiter in Gartenschuhen - er wolle heute nicht arbeiten

Doch trotz Aufforderung ging es nicht los. Mal hieß es bei der Nachunternehmerin, das Auto sei kaputt. Mal erschien nur ein einziger Mitarbeiter auf der Baustelle. In Gartenschuhen, ohne Schutzausrüstung. Er erklärte diesen Aufzug damit, an dem Tag nicht arbeiten zu wollen, sondern sich nur die Baustelle anzusehen.

Schließlich wurde es dem Fachunternehmen zu bunt. Es erklärte die Kündigung des Bauvorhabens wegen nicht erfolgter Aufnahme der Arbeit. Die 60.000 € Vorschuss wurden zurückverlangt. Nicht zu arbeiten, fand die Nachunternehmerin offenbar in Ordnung. Sie forderte stattdessen Schadensersatz wegen der Vertragskündigung. Geld zurück zahlen zu müssen, gefiel ihr hingegen weniger. Ihr Argument: man habe sich doch überhaupt nicht geeinigt, wann sie arbeiten müsse.

Die Sache kam vor Gericht. In der ersten Instanz wurde die Nachunternehmerin verurteilt, an das Fachunternehmen 60.000 € zurückzuzahlen. Schadensersatz gab es nicht. Das gefiel ihr ganz und gar nicht und so legte sie Berufung ein.


Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht lief es nicht besser

Zwar könnte man in der Tat darüber nachdenken, was eigentlich vereinbart gewesen sei, entschieden die Oberlandesrichter. Der Bauvertrag sei dazu nicht eindeutig: war doch von einem Baubeginn „voraussichtlich 01.04.2020“ die Rede. Man müsse aber im Einzelfall alle Vereinbarungen unter Berücksichtigung der Umstände bei Vertragsschluss prüfen. Und da sei eigentlich eine eindeutige Regelung getroffen. Die Baufirma habe zu arbeiten. Und dafür täglich die Baustelle mit vier bis zehn Arbeitskräften zu besetzen. Einen Einzelnen pro forma hinzuschicken, der erklärte, nicht arbeiten zu wollen, reiche nicht aus. Aus der Entscheidung:

“Die Klägerin hat den Beginn der Ausführung der Arbeiten am Bauvorhaben der Beklagten verzögert. Zwar hatte die Klägerin nicht schon aufgrund einer Vertragsfrist i.S.v. § 5 Abs.1 VOB/B mit den Arbeiten zu beginnen, da es angesichts der Formulierung „voraussichtlich 01.04.2020“ in Ziffer 4.1 des Verhandlungsprotokolls an der für die Annahme einer verbindlichen Vertragsfrist an der erforderlichen Eindeutigkeit fehlt […] Die Beklagte hat die Leistung der Klägerin aber am 09.04.2020 […] abgerufen, so dass die Klägerin jedenfalls gemäß § 5 Abs.2 S.2 VOB/B zwölf Werktage [….] mit ihren Arbeiten zu beginnen hatte […]

Die Parteien haben […] von vornherein eine durchgängige Besetzung der Baustelle mit mindestens vier Arbeitskräften vereinbart. Bei dieser Sachlage genügt es für einen Arbeitsbeginn nicht, wenn die Klägerin lediglich eine einzige Arbeitskraft auf die Baustelle schickt, da insoweit allenfalls pro forma mit den Arbeiten begonnen wurde und nicht entsprechend den konkreten Vereinbarungen der Parteien.“

Die Kündigung des Bauvertrages sei damit rechtens, deshalb gäbe es keinen Schadensersatz und deshalb sei auch der Vorschuss von 60.000 € zurückzuzahlen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.





Siehe auch:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 28.01.2023 - Bauherr muss nicht hartnäckig drängen, dass Baufirma endlich baut]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 08.08.2023: Nicht immer ist die VOB/B vereinbart - auch nicht, wenn es alle meinen]