Falle für Handwerker: Nicht über Widerrufsrecht belehrt - umsonst gearbeitet
29.04.2021 – Wir hatten bereits früher in unseren Bau-News darüber berichtet: Verbraucher können unter Umständen auch beim Abschluss von Handwerker- und Bauverträgen ein Widerrufsrecht haben. Hier droht dann den Handwerkern eine böse Falle. Wenn Sie nicht über dieses Widerrufsrecht belehrt haben. Dann können Verbraucher noch nach einem Jahr und 14 Tagen ihren Widerruf erklären. Während die Handwerkerleistung bereits erbracht wurde.
[Zum Bau-News-Beitrag vom 11.11.2018: Verbraucher können (häufig) Werkvertrag widerrufen – Keine Widerrufsbelehrung: kein Wertersatz]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 14.03.2019: 2. Teil: Verbraucher können (häufig) Werkvertrag widerrufen – auch ohne das Wort „Widerruf“]
Ein solcher Fall lag jetzt auch einem Urteil des Landgerichts München II (LG München II, Urteil vom 12.11. 2020 – 5 O 172/20) zugrunde. Der Handwerker muss einem Hauseigentümer jetzt 16.000 EUR zurückzahlen, die er für eine Treppenmontage bekommen hatte. Der Hauseigentümer behält die Treppe, für die er nicht gezahlt hat. Das Oberlandesgericht München (OLG München, Beschluss vom 24.03.2021 – 28 U 7186/20 Bau) bestätigte die Entscheidung.
Der Handwerker hatte vergessen, den Hauseigentümer auf sein Widerrufsrecht aufmerksam zu machen.
Hauseigentümer bat Handwerker zu sich
Ein Hauseigentümer kontaktierte 2018 eine Handwerksfirma, um in seinem Haus im Münchener Umland eine Massivholztreppe vom Keller bis ins Dachgeschoss einbauen zu lassen. Am 23.08.2018 erschien der Geschäftsführer der Handwerksfirma auf Einladung des Hauseigentümers bei diesem zu Hause. Man nahm das Aufmaß. Dann unterschrieben beide einen Treppenbauvertrag. Weitere Einzelheiten klärte man später.
Im Januar 2019 wurde die alte Treppe durch die Handwerksfirma ausgebaut und die neue Treppe geliefert und eingebaut. Der Hauseigentümer war mit der Arbeit zufrieden und erklärte am 30.01.2019 die Abnahme. Zuvor hatte er eine Abschlagrechnung in Höhe von knapp 16.000 EUR bezahlt. Mitte Februar erhielt er die Schlussrechnung, aus der sich ergab, dass noch eine Restzahlung von 3.950 EUR zu zahlen wäre. Alles so, wie es vereinbart war.
Handwerksvertrag mit Verbrauchern außerhalb der Geschäftsräume: Widerrufsbelehrung nötig
Doch der Hauseigentümer zahlte nicht. Stattdessen erklärte er Mitte Juli 2019 den Widerruf des Vertrages. Er forderte dazu auf, die bezahlten 16.000 EUR zurück zu erstatten. Die Handwerksfirma hielt das Ganze für einen schlechten Scherz. Doch der Hauseigentümer machte Ernst. Er verklagte sie auf Rückzahlung der 16.000 EUR. Mit Erfolg. Der private Hauseigentümer war nämlich Verbraucher. Und der Handwerker hatte nicht daran gedacht, ihn über sein Widerrufsrecht aufzuklären. Das hätte er machen müssen, da der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Handwerkers geschlossen worden war. Aus dem Urteil:
“Das Widerrufsrecht besteht. Dem Kläger steht ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312 g Abs. 1, 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB zu.
1. Der Anwendungsbereich der besonderen Vorschriften des BGB über die Verbraucherverträge ist eröffnet. Beim Kläger handelt es sich um einen Verbraucher (§ 13 BGB), die Beklagte ist eine Unternehmerin (§ 14 BGB). Zwischen den Parteien war eine entgeltliche Leistung vereinbart, mithin die Lieferung und der Einbau einer Holztreppe[…]
2. Das Widerrufsrecht ist nicht gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Gem. § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB besteht ein Widerrufsrecht nicht für Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Nach dem Wortlaut und in Übereinstimmung mit dem Text der Verbraucherrechterichtlinie sind damit nur Kaufverträge gemäß § 431 BGB sowie Werklieferungsverträge gemäß § 651 BGB gemeint […] Vorliegend wurde jedoch nicht ein Werklieferungsvertrags abgeschlossen, sondern ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB. Der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistungen liegt hier nicht auf der Lieferung der Treppe, sondern auf dem Einbau. Ausweislich der vertraglichen Grundlagen […] war nicht eine Treppe „von der Stange“ geschuldet, sondern eine maßgefertigte Treppe. Zudem war neben dem Einbau auch der Ausbau der alten Treppe geschuldet […]
3. Die Voraussetzungen des § 312 b BGB liegen vor. Der Vertrag wurde auch an einem Ort geschlossen, der kein Geschäftsraum des Unternehmers war, § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, nämlich am 23.08.2018 im Wohnhaus des Klägers in der Alten P. straße 45 in B […]
5. Eine ordnungsgemäße Widerrufserklärung liegt vor. Der Widerruf wurde durch den Kläger am 10.07.2019 erklärt, das Schreiben wurde am 11.07.2019 zugestellt, § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Erklärungsinhalt genügt den Anforderungen des § 385 Abs. 1 Satz 3 BGB. Die Widerrufsfrist, die sich hier nicht nach § 354 Abs. 2 BGB, sondern aufgrund des Fehlens von Belehrungen über den Widerruf nach § 356 Abs. 3 BGB richtet, ist eingehalten. Der Widerruf wurde innerhalb der Frist von 12 Monaten und 14 Tagen nach dem Vertragsschluss erklärt.“
Widerruf kann ohne sachlichen Grund erklärt werden
Der Baufirma half auch nicht ihr Argument, es sei doch unzulässig, sich erst einmal die Treppe bauen zu lassen und dann den Widerruf zu erklären. Noch einmal aus der Entscheidung des Landgerichts:
“6. In der Erklärung des Widerrufs ist auch kein Fall der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB zu sehen […] Allein das Fehlen eines sachlichen Grundes reicht für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung jedoch nicht aus, da das Widerrufsrecht an keine Voraussetzungen (etwa eine Vertragsverletzung des Unternehmers) geknüpft ist.“
Hauseigentümer erhält Treppe kostenlos
Es sei auch nicht unbillig, dass der Hauseigentümer die Treppe nun kostenlos erhalten habe. Das habe der Gesetzgeber so beabsichtigt.
“Gemäß § 357 Abs. 1 BGB hat die Beklagte die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren, mithin die bereits erbrachte Werklohnzahlung in Höhe von 15.967,94 € an den Kläger zurückzuzahlen. Zwar müsste die Beklagte die Treppe wieder ausbauen dürfen (wobei sie den ursprünglichen Zustand wieder herstellen müsste), Wertersatz steht ihr jedoch mangels Anspruchsgrundlage in § 357 Abs. 7, Abs. 8 BGB nicht zu. Im Ergebnis wird der Kläger also die Treppe mangels Interesse des Beklagten an der maßangefertigten Treppe behalten können, ohne dafür einen Werklohn gezahlt zu haben. Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick unbillig erscheinen, ist jedoch vom Gesetz- bzw. Richtliniengeber so beabsichtigt.“
Vorsicht bei Widerrufsbelehrung "Marke Eigenbau"
Handwerker, die außerhalb ihrer Geschäftsräume mit Verbrauchern einen Vertrag schließen, müssen diese über ihr Widerrufsrecht aufklären. Dafür gibt es Muster, an die man sich halten sollte. Bei der Formulierung von Widerrufserklärungen „Marke Eigenbau“ kann man Fehler machen.
Bei Kaufverträgen ist es (manchmal) anders
Wer regelmäßig unsere Bau-News liest, erinnert sich vielleicht noch daran, dass wir vor einiger Zeit über eine Entscheidung zu einem Widerruf bei Kurventreppenlichten berichtet hatten. Hier war ein Widerrufsrecht abgelehnt worden.
Was war der Unterschied?
Es gibt in § § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine Regelung. Danach besteht kein Widerrufsrecht bei der Bestellung von individuell hergestellten Waren. Diese Regelung gilt aber nur für Kaufverträge oder Kaufverträge mit Montageverpflichtung. Nicht für Werkverträge. Der Unterschied zwischen einem Kaufvertrag mit Montageverpflichtung und einem Werkvertrag ist diffizil. Der Teufel steckt hier im Detail. Sehr vereinfacht kann man formulieren: Geht es vorrangig um die Lieferung einer gekauften Sache, die montiert werden soll, dann liegt ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung vor. Ist dagegen die Bau- oder Handwerkstätigkeit im Vordergrund, dann liegt ein Werkvertrag vor. Hier auf weitere Einzelheiten einzugehen, würde diesen Bau-News-Beitrag allerdings sprengen. Und es bestände die Gefahr, dass er für Nicht-Jurist*innen unverständlich wird.
Oberlandesgericht bestätigt erste Instanz
Die Baufirma war mit der Entscheidung des Landgerichts nicht zufrieden. Sie legte Berufung zum Oberlandesgericht München ein. Vergeblich. Das Gericht teilte mit, die Berufung wegen Aussichtslosigkeit abweisen zu wollen. Aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts:
“Wird der Verbraucher nicht belehrt, beträgt die Widerrufsfrist über ein Jahr, wodurch der Unternehmer nachhaltig dazu gebracht werden soll, verbraucherschützende Vorschriften einzuhalten. Der Verbraucher soll mithin im Bewusstsein, sich ohne Schwierigkeiten und vor allem nennenswerten Nachteilen vom Vertrag lösen zu können, über die Möglichkeit des Widerrufs frei entscheiden.“
Rechtskräftig
Einen Monat später wies das Oberlandesgericht die Berufung ab. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig beendet. Die Baufirma musste ein teures Lehrgeld zahlen.