Gericht: (angeblicher) Infraschall durch Windräder verursacht keine Gesundheitsschäden
21.08.2023 – Und dann gibt es diejenigen, die gegen alles und jeden vorgehen, der nicht bei „drei“ auf dem nächsten Baum ist. Nimbys heißen sie, „not im my backyard“. Gegen die Moderne haben sie nichts, sagen sie. Aber bitte woanders, nur nicht in ihrer Nähe.
Wohl mit einem solchen Nimby hatte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschluss vom 29.03.2023 – 22 B 176/23.AK) zu tun.
Angst vor Infraschall und brennenden Windrädern
Ein Eigentümer eines nordrhein-westfälischen Wohngrundstückes im Außenbereich war empört. Für drei Windräder war eine Baugenehmigung erteilt worden. 240 m sollten sie hoch sein. Dafür aber 750 bis 830 m entfernt von seinem Grundstück stehen.
Seine Gesundheit sei bedroht, argumentierte er. Durch Infraschall. Der läge wohl unterhalb der Wahrnehmungsgrenze des menschlichen Gehörs. Aber so richtig wisse man ja nie.
Und dann die Brandgefahr. Was dann, wenn so ein Windrad Feuer fängt.
Deswegen – und wegen anderer Argumente, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll, da es den Umfang eines Bau-News-Beitrages sprengen würde – erhob er Klage gegen die Genehmigung zum Aufstellen der Windräder. Damit in der Zeit nicht vollendete Tatsachen geschaffen werden, beantragte er zugleich die Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Sein Ziel: solange über die Klage nicht rechtskräftig entschieden sei, dürfe nichts gebaut werden.
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen überzeugte er damit nicht:
„Nach summarischer Prüfung wird die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage offensichtlich keinen Erfolg haben“, beschloss das Gericht. Und weiter: „Im Übrigen verletzt der Genehmigungsbescheid vom 30. März 2022 den Antragsteller offensichtlich nicht in seinen Rechten.“
Sämtliche Infraschall-Studien ergeben keine Anhaltspunkte für Gesundheitsauswkirkungen
Vorsichtige Andeutungen des Gerichts lassen in der Entscheidung erkennen, dass man nicht so recht an einen Infraschall glaubt. Und selbst dann, wenn es ihn gäbe, würde das Argument nicht überzeugen. Aus der Entscheidung:
“Ebenso wenig hat der Antragsteller unzumutbare Infraschallimmissionen zu gewärtigen. Die Rechtsprechung des beschließenden Gerichts und - soweit ersichtlich - aller anderen Obergerichte geht davon aus, dass Infraschall - wie auch tieffrequenter Schall - durch Windenergieanlagen im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt und nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren führt [….]
Sämtliche Studien, die der Antragsteller vorgelegt hat oder die dem Senat anderweitig bekannt sind, sind lediglich Teil des wissenschaftlichen Diskurses, ergeben allerdings bisher keinen begründeten Ansatz für relevante tieffrequente Immissionen oder Infraschall durch Windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche Auswirkungen […]
Neuere Erkenntnisse, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, enthält der Vortrag des Antragstellers nicht […]
Es ist vielmehr Sache desjenigen, der die Realisierung eines lediglich als entfernt anzusehenden Risikos geltend macht, hierfür hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen zu benennen […]
Solche hat der Antragsteller in Bezug auf den von ihm geltend gemachten Infraschall - wie ausgeführt - indes nicht dargelegt“
Was haben Windräder mit Waldbränden zu tun?
Auch die Gefahr einer Havarie der Windkraftanlage überzeugte das Gericht nicht. Noch einmal aus der Entscheidung:
“Der Antragsteller wird nicht durch unzureichende Brandschutzvorkehrungen in seinen Rechten verletzt […]
Ein Verstoß gegen […] Vorschriften in Bezug auf brandschutzrechtliche Anforderungen scheidet […] hier schon deshalb offenkundig aus, weil die […] geforderte Abstandsfläche von 120 Metern hinsichtlich des Antragstellers um mehr als das Sechsfache überschritten wird. Sein Wohngrundstück liegt jeweils mehr als 750 m von den Vorhabenstandorten entfernt.
Unabhängig davon trägt der Antragsteller aber auch nicht vor, welche konkreten brandschutzrechtlichen Vorgaben des Bauordnungsrechts verletzt sein sollten, die eine Ausbreitung von Feuer auf sein Grundstück zu verhindern bestimmt wären. Eine Auseinandersetzung mit dem zum Bestandteil der Genehmigung erklärten Brandschutzkonzept der Sachverständigen […] und den zugehörigen Bewertungen der zuständigen Brandschutzstelle des Antragsgegners und der örtlichen Feuerwehren findet nicht einmal im Ansatz statt. Dass bei einem nie ganz auszuschließenden Brandereignis Geruchsbelästigungen möglich sind, begründet unabhängig davon offensichtlich keine (potenzielle) Rechtsverletzung des Antragstellers. Ebenso bleibt unerfindlich, was die in freier Feldflur genehmigten Windenergieanlagen mit der Zahl der Waldbrände in Deutschland und deren aus seiner Sicht unzureichenden Bekämpfung zu tun haben sollten, geschweige denn, wie sich hier daraus ein subjektives Abwehrrecht des Antragstellers ergeben sollte. Gleiches gilt für die Anforderung der Verfügbarkeit ausreichender Löschwassermengen. Eine solche besteht nach dem - wie gesagt nicht ansatzweise in Frage gestellten - genehmigten Brandschutzkonzept und im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern nicht ausreichende Löschwassermengen einem Übergreifen des Feuers auf das - weit entfernt liegende - Grundstück des Antragstellers Vorschub leisten sollten […]
Auch die von einer nicht völlig auszuschließenden Havarie der Windkraftanlagen ausgehenden Gefahren übersteigen das allgemeine Lebensrisiko des Antragstellers nicht. Dies folgt jedenfalls erneut aus der erheblichen Entfernung seines Grundstücks zu den Standorten der geplanten Anlagen von mindestens 750 Metern. Die Anlagen weisen eine Gesamthöhe von 240 Metern auf. Selbst bei einem völligen Umstürzen der Türme liegt angesichts dessen eine Beeinträchtigung des Antragstellers fern.“
Gesetzgeber will Vorrang von Windrädern
Und deshalb sei die gesetzgeberische Entscheidung für den grundsätzlichen Vorrang solcher Windräder zu beachten, so da Gericht:
“Vor diesem Hintergrund offensichtlich fehlender Erfolgsaussichten in der Hauptsache geht die gebotene Interessenabwägung zulasten des Antragstellers aus […]
Im Falle des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs ist bei der Gesamtwürdigung die gesetzgeberische Entscheidung für den grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses zu berücksichtigen. Die Folgen, die sich für den einzelnen Antragsteller mit dem Sofortvollzug verbinden, sind regelmäßig nur dann beachtlich, wenn sie nicht schon als regelmäßige Folge der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs in der gesetzgeberischen Grundentscheidung Berücksichtigung gefunden haben […]
Materiell tritt hier […], die gesetzliche Wertung […] hinzu, wonach bei der Abwägung rechtlicher Interessen im Einzelfall angenommen wird, dass die Planung, der Bau und der Betrieb von Anlagen und Einrichtungen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen.“
Der Beschluss des Oberwaltungsgerichts ist unanfechtbar.
Auch mit der Photovoltaik müssen sich Gerichte befassen. In weiteren Bau-News-Beitragen haben wir darüber berichtet: