Hammerschlags- und Leiterrecht lässt Öffnung einer Baugrube beim Nachbarn zu
18.08.2021 – Das deutsche Nachbarrecht regelt die Rechtsverhältnisse zwischen zwei oder mehr Grundstückseigentümern. Unter anderem regelt es – was bei Nichtjuristen häufig zu Lachanfällen führt – ein Hammerschlags- und Leiterrecht. Um mit Wikipedia zu sprechen:
„Das Hammerschlagsrecht erlaubt es einem Grundbesitzer, das Grundstück des Nachbarn zu betreten, um an seinem eigenen Gebäude Reparaturarbeiten auszuführen.
Das Leiterrecht erlaubt es ihm, auf dem Nachbargrundstück ein Gerüst aufzustellen.“
Doch was ist dann, wenn auf dem Grundstück des Nachbarn eine kleine Baugrube ausgehoben werden muss, da die Ausführung vom eigenen Grundstück nicht oder kaum möglich ist. Dies ist möglich, entschied das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Urteil vom 20.05.2021 – 18 U 17/20).
Abgrabungen und Rissbildungen
In Köln war es zu einem heftigen Streit von zwei Grundstückseigentümern gekommen. Auf dem Grundstück des späteren Klägers befand sich an das Wohngebäude eine Garage angebaut. Sie reichte bis an die Grenze des Nachbargrundstücks.
Der andere Nachbar hatte seinem Grundstück Abgrabungsarbeiten durchgeführt. Ein Sachverständiger stellte später fest, dass dadurch Schäden in Form von Rissen an der Garage aufgetreten waren. Schließlich verglichen sich die beiden Nachbarn und der Garageneigentümer erhielt 3.500,00 €.
Nunmehr beabsichtigte er mit dem Geld das Fundament der Garage zu unterfangen, um eine weitere Rissausbildung zu vermeiden. Das Problem war, dass dieses von seinem Grundstück aus kaum möglich war. Er musste dazu auf das Grundstück des Nachbarn gelangen, wo eine Baufirma eine kleine Baugrube ausheben, die Garage unterfangen und später den Ursprungszustand wiederherstellen sollte.
An sich kein Problem, da das Nachbarrechtsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen so etwas erlaubt und den anderen Grundstückeigentümer zwingt, es zu dulden.
Nachbar wollte keine Baugrube dulden
Doch in Köln biss der Garageneigentümer bei dem Nachbarn auf Granit. Der argumentierte, dass das Hammerschlags- und Leiterrecht des nordrhein-westfälischen Nachbarrechtsgesetzes nichts zu einer Baugrube sagt – was auch stimmt. Und lehnte eine Duldung ab.
So kam die Sache vor Gericht. In der ersten Instanz, vor dem Landgericht Köln, ging es für den Garageneigentümer nicht gut aus. Die Landrichter sahen sich das Nachbarrechtsgesetz an und stellten fest, dass dort von einer Baugrube nicht die Rede ist. Sie wiesen die Klage ab. Doch der Grundstückseigentümer mit seiner Garage gab nicht auf. Er legte Berufung ein. Dort, am Oberlandesgericht Köln, sah man die Rechtslage gänzlich anders als die erste Instanz und verurteilte den Nachbarn zu einer Duldung der Maßnahme. Aus dem Urteil:
“Zur Durchführung der Arbeiten erlaubt § 24 NachbG NRW das Betreten und Benutzen des Nachbargrundstücks. Dabei kann das (weit formulierte) Recht zur Benutzung – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nach der vorzugswürdigen herrschenden Meinung grundsätzlich auch den Raum unterhalb der Erdoberfläche und damit die Befugnis zum Ausheben von Erdreich erfassen […] Aus Wortlaut und Inhalt des § 24 NachbG NRW folgen jedenfalls keine Beschränkungen auf Handlungen rein im oberirdischen Raum. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten keine restriktive Auslegung.“
Ebenso in anderen Bundesländern
Nachbarrecht ist zwar Landessache. Die Nachbarrechtsgesetze in anderen Bundesländern sehen aber alle eine ähnliche Regelung vor. Allerdings sind sie nicht gleichlautend: mal muss die Maßnahme 14 Tage vorher angekündigt werden, mal einen Monat. Doch letztendlich dürften die Argumente des Oberlandesgerichts Köln zu solchen Fällen auch in anderen Bundesländern dazu führen, dass auf dem Nachbargrundstück eine kleine Baugrube ausgehoben werden darf, sofern die Maßnahme rechtzeitig angekündigt wurde.
Weitere Beiträge unseres Bau-News-Blogs beschäftigen sich mit Nachbarstreitigkeiten:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 13.09.2016: Wenn der Nachbar sein Haus auf die Grundstücksgrenze setzt]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 20.01.2017 - Urteil: kein Notwegerecht über eine Feuerwehrzufahrt}
[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.03.2016: Kaltluft von einer Wärmepumpe muss man (häufig) nicht dulden]