Keine Schadensersatzpflicht: in der Regel kann man nicht zum Grundstücksgeschäft gezwungen werden

09.08.2023 – Vertragsverhandlungen über einen Grundstückskauf können jederzeit von einer der beiden Verhandlungsparteien abgebrochen werden. In der Regel jedenfalls. Zum Vertragsabschluss kann man nicht gezwungen werden. Man macht sich deshalb auch nicht schadensersatzpflichtig.

Das zeigt eine Entscheidung des Landgerichts Wuppertal (LG Wuppertal, Urteil vom 03.03.2023 – 6 O 101/22).

Die Möchtegern-Käuferin eines Grundstücks blieb auf 9.800 € sitzen, die sie während der Vertragsverhandlungen für Beratungskosten ausgegeben hatte.


Lange Verhandlungen. Und kein Ergebnis

Im Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen wurde ein Metallhandel betrieben. Um den erforderlichen Platzbedarf für eine geplante Geschäftserweiterung sicherzustellen, suchte die Inhaberin ein geeignetes Gewerbegrundstück. Bei einer kommunalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft wurde sie fündig. Die hatte ein Grundstück im Angebot. Im März 2019 bot sie unverbindlich ein Grundstück an, von dem sie meinte, es könnte für den Metallbetrieb passen.

Doch warum auch immer, die Verhandlungen zogen sich hin. Bis 2021. Der Metallbetrieb ließ sich währenddessen beraten. Von einer Ingenieurgesellschaft für Geotechnik. Einem Architekturbüro. Und einem Steuerberater. Knapp 9.800 € gab man dafür aus.

2021 scheiterten die Verhandlungen. Die Wirtschaftsförderung wollte dann doch nicht mehr an den Metallbetrieb verkaufen. Deren Inhaberin war verärgert und forderte Ersatz ihrer Aufwendungen für die Beratungen.


Gericht: keine Rechtsgrundlage

Vergeblich. Daraufhin klagte sie. Doch das Landgericht Wuppertal sah für die Forderung von 9.800 € keine Grundlage. Aus dem Urteil:

“Die Klägerin hat gegen die Beklagte schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf vorvertraglichen Schadensersatz […]“

Ein solcher Schadensersatzanspruch kann unter dem Gesichtspunkt des Abbruchs von Vertragsverhandlungen infrage kommen. Grundsätzlich sind die Parteien bis zum endgültigen Vertragsschluss in ihren Entschließungen frei, und zwar auch dann, wenn der andere Teil in Erwartung des Vertrages bereits Aufwendungen gemacht hat. Eine Ersatzpflicht besteht nur, wenn eine Partei die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbricht, nachdem sie in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrags erweckt hat […]. Im Rahmen der Privatautonomie hat jede Partei bis zum Vertragsabschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertrag Abstand zu nehmen. Aufwendungen, die in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht werden, erfolgen daher grundsätzlich auf eigene Gefahr. Nur wenn der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten zu erstatten sein, wenn er den Vertragsabschluss später ohne triftigen Grund ablehnt […] Bei einem – wie hier – Grundstückskaufvertrag sind an die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung noch strengere Anforderungen zu stellen. Bei einem solchen Vertrag löst die Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner nicht schon dann Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund dafür fehlt, sondern nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt […]

Es ist nach dem Klägervortrag schon nicht ersichtlich, dass die Beklagte der Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen einen Vertragsschluss als sicher dargestellt und hierdurch überhaupt einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte, auf den sich die Klägerin hätte verlassen dürfen. Sicherlich gestalteten sich die Verhandlungen bereits im Jahr 2019 aus Sicht der Klägerin teilweise sehr erfolgversprechend und standen auch einem Vertragsabschluss teilweise sehr nahe. Das kann aber für sich genommen einen Haftungstatbestand nicht begründen […]

Es war […] entgegen der Auffassung der Klägerin mitnichten so, dass zu diesem Zeitpunkt nur noch unwichtige Details zu klären gewesen seien, ansonsten aber ein Vertragsschluss bereits als sicher festgestanden habe. Aufgrund der abgegebenen Zusicherung hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Vorrangstellung gegenüber den vorhandenen Mitbewerbern für das Grundstück, aber keine sichere Position als bereits feststehende Käuferin […]

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des in der E-Mail angekündigten späteren Schreibens der Beklagten vom 07.03.2019 (Bl. 13 der Akte), in dem ausdrücklich von einem „vorläufigen“ Angebot zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrages die Rede ist. Wenn es dort des Weiteren heißt „vorläufig deshalb, weil noch nicht alle Details abschließend verhandelt sind“, bedeutet auch dies schon nach dem Wortsinn gerade noch nicht einen sicher feststehenden Kaufvertragsabschluss, denn ansonsten bedürfte es keiner weiteren Verhandlungen […]

Dass […] ein notarieller Grundstückskaufvertrag mit der Klägerin nicht zustande gekommen ist, hatte seine Gründe anscheinend nur im Verhältnis zwischen den Parteien, die miteinander keine abschließende Einigung gefunden haben. Soweit die Beklagte sodann im Jahr 2021 – nach entsprechender Vorankündigung gegenüber der Klägerin […] Verkaufsgespräche mit anderen Interessenten führte, begründet mit Blick auf den langen Zeitablauf und die geänderten Umstände erkennbar keine irgendwie geartete vorvertragliche Pflichtverletzung […]

Auch in der Gesamtschau fallen die hier geführten längeren, zeitweise scheinbar sehr aussichtsreichen Vertragsgespräche nicht aus dem üblichen, normalen Rahmen gescheiterter Vertragsverhandlungen heraus, bei denen die verhandelnden Parteien aus welchen Gründen auch immer letztlich nicht zu einer Einigung gelangt sind, ohne dass dadurch gleich pflichtwidrig und haftungsbegründend Vertrauenstatbestände geschaffen und verletzt worden wären.“


Entscheidung ist richtig

Nur in seltenen Ausnahmefällen, wenn eine besonders schwerwiegende und vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt, können bei einem Abbruch von Vertragsverhandlungen Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden. In der Regel also nicht.





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