Mieter darf in Mietwohnung nicht nur leben, sondern auch sterben

14.04.2021 mit Update vom 03.02.2022 – Manches, was vor Gericht landet, ist unglaublich. In Berlin wollte eine Vermieterin Schadensersatz haben. Weil ihr Mieter in der Mietwohnung gestorben war. Das Berliner Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 24.11.2020 – 15 C 59/20) konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen.

In Berlin hatte eine Vermieterin vor einiger Zeit eine Wohnung an einen Mieter vermietet. 2.000 EUR Kaution hatte sie verlangt – und erhalten. Wie das mit dem Leben so ist: es endet tödlich. Zwischen dem 18. und dem 24. Oktober 2018 starb der Mieter in der Wohnung. Er wurde dort am 24. Oktober 2018 im Schlafzimmer aufgefunden.

Er hatte Erben. Die ließen in der Wohnung wegen des schlechten Geruchs eine professionelle Reinigung für mehrere tausend Euro durchführen; außerdem das Laminat der Wohnung neu verlegen. Dann kündigten sie die Wohnung und gaben sie am 14.01.2019 an die Vermieterin zurück. Die quittierte einen „ordnungsgemäßen Zustand“.

Doch die Mietkaution wollte die Vermieterin nicht herausgeben. Wegen des über Tage unentdeckt gebliebenen Todes bis zum „Entsorgen der Leiche“ wolle sie die behalten. Als Schadensersatz. Die Sache kam vor Gericht. Das fand deutliche Worte:

“Die zulässige Klage ist begründet. Die Kläger haben als Miterben einen Anspruch auf Rückgewähr der von dem Verstorbenen geleisteten Mietsicherheit […]

Der Anspruch ist fällig. Insbesondere stehen der Beklagten aus dem Mietvertrag keine Ansprüche gegen die Kläger zu. Dabei ist es ohne Belang, ob im Schlafzimmer wegen der Arbeiten des sogenannten Tatortreinigers oder wegen des Versterbens des Mieters ein schlechter Geruch herrschte und ob die Wohnung mit Ungeziefer befallen war. Denn das Sterben in der gemieteten Wohnung und die Beeinträchtigung der Wohnung als Folge des Versterbens stellt keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauches dar […] Im Übrigen ist auf dem von der Beklagten vorbereiteten Wohnungsabnahmeprotokoll vermerkt, dass die Wohnung in einem "ordnungsgemäßen Zustand übergeben wurde". Dies spricht nicht dafür, dass die Wohnung der Beklagten in einem dramatischen Zustand übergeben wurde.“



Update vom 03.02.2022

Die Vermieterin ließ nicht locker. Sie legte Berufung ein. Doch das Landgericht Berlin (LG Berlin, Beschluss vom 05.10.2021 – 66 S 7/21) teilte ihr mit, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Aus dem Beschluss:

“Die Idee, dass der Tod eines Wohnraummieters in der angemieteten Wohnung eine von dem Mieter verübte Pflichtverletzung darstellen und somit Grundlage von Sekundäransprüchen sein könnte, erscheint der Kammer vollständig fernliegend.

Die Vermieterin nahm daraufhin die Berufung zurück; das Urteil des Amtsgerichts ist rechtskräftig.





Wir haben in den letzten Jahren in unseren Bau-News noch über weitere Urteile aus der Rubrik „das kann doch nicht wahr sein“ berichtet:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 27.01.2012: Zwei Trottel, eine Wahrsagerin und ein Grundstückskauf]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 01.02.2012 - Prozess am Landgericht Cottbus: muss der Bauherr für gutes Wetter sorgen?]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 25.08.2012: Sturmgeklingelt – 15.000 € Schadensersatz?]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 25.01.2017 - Kein Schadensersatz wenn Baustelle aufgeräumt ist]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 24.12.2018: Herunter fallendes Rollo gehört – 83.000 Euro Entschädigung verlangt]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 10.09.2019: Keine Beleidigung, Frau als „Fräulein“ zu bezeichnen]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.08.2021 - Vermieter darf keine Ausweiskontrollen von Besuchern des Mieters durchführen]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 15.08.2022 - Ganz besonderer Gartenschmuck: ein 7,36 m hohes Kreuz]