Mieter muss Hauptwasserhahn vor dem Urlaub nicht abdrehen
10.06.2021 – Ein Mieter muss den Hauptwasserhahn nicht abdrehen, bevor er in den Urlaub fährt. Kommt es in der Zeit zu einem Rohrbruch mit Wasseraustritt, ist ihm das nicht zuzurechnen. Das entschied das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle, Urteil vom 07.04.2021 – 14 U 135/20).
Es ging um einen Wasserschaden von knapp 215.000 €.
In der Praxis einer Zahnärztin war ein Unternehmen im Oktober 2016 mit der Installation einer Desinfektionsanlage beauftragt worden. Dazu gehörte, dass etliche Rohrleitungen an die Anlage anzuschließen waren. Im November 2017 prüfte das Unternehmen noch einmal die Anlage. Probleme wurden nicht festgestellt.
Drei-Wochen-Urlaub
Am 06.07.2018 schloss die Praxis für drei Wochen. Die Zahnärztin fuhr in den Urlaub.
Am Abend des 27.07.2018 verließen gegen 19:02 Uhr zwei Zeuginnen das Haus, in dem in der zweiten Etage die Praxis war. Ihnen fiel nichts Besonderes auf. Als sie am nächsten Morgen gegen 07:00 Uhr zurückkamen, bemerkten sie gleich beim Betreten des Treppenhauses schwallartiges Wasser, das aus der Zahnarztpraxis herauslief. Das Treppenhaus war zu diesem Zeitpunkt bereits überflutet. Die herbeigerufene Feuerwehr stellte fest, dass eine Rohrleitung zur Desinfektionsanlage bereits einige Stunden vor der Entdeckung des Schadens undicht geworden war. Ein Verbindungsstück (Winkelfitting) hatte sich an einem Wasserrohr gelöst.
Der Schaden war enorm: knapp 215.000 €. Für die Zahnärztin war das kein Problem. Sie hatte eine Versicherung, die auch solche Schäden einschloss. Die zahlte alles. Doch die Versicherung wollte das Geld erstattet bekommen. Von dem Unternehmen, das die Desinfektionsanlage angeschlossen hatte. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass der Anschluss mangelhaft war. Das Rohr war nur halb so tief in die Muffe gesteckt worden, wie es hätte sein müssen. Und die Verklebung war auch nicht vollständig und hatte versagt.
Schuld sei die Zahnärztin...
Das Unternehmen – wahrscheinlich wohl der dahinterstehende Haftpflichtversicherer – sah das gar nicht ein. Schuld sei die Zahnärztin, argumentierte man. Hätte sie vor dem Urlaub den Hauptwasserhahn abgedreht, wäre es nicht zu einem Wasseraustritt gekommen.
Die Sache kam vor Gericht. In der ersten Instanz, vor dem Landgericht Verden, meinte das Gericht, beide seien gleichermaßen schuld: die Zahnärztin, weil sie nicht den Hauptwasserhahn abgestellt hatte. Und das Unternehmen, weil es nicht richtig montiert hatte. Mit dem Ergebnis war die Versicherung der Zahnärztin unzufrieden. Sie legte Berufung ein. Mit Erfolg. Das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass überhaupt schon kein Zusammenhang bestand, zwischen einem am 06.07. begonnen Urlaub und einem Schaden am 27.07. Aus dem Urteil:
“Es wäre daher ebenso möglich, dass sich das Rohr erst am Abend des 27.7.2018 aus der Muffe zunächst leicht und sodann vollständig gelöst hat. Dann wäre der gesamte Schaden in der Nachtzeit - außerhalb des regulären Praxisbetriebs - entstanden und stünde in keinem Zusammenhang mit der Betriebsschließung.“
Abdrehen des Hauptwasserhahn kann nicht verlangt werden
Aber selbst wenn ein Zusammenhang bestanden hätte. Ein Mieter ist nicht verpflichtet, bei jeder Abwesenheit aus seiner Wohnung den Hauptwasserhahn abzudrehen. Noch einmal aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts:
“Nach diesen Maßstäben erachtet der Senat die Anforderung, der Hauptwasserhahn müsse bei Verlassen der Praxis zugesperrt werden, um der Gefahr von Rohrbrüchen vorzubeugen, für überspannt. Denn das Abdrehen eines Hauptwasserhahnes nach dem Verlassen einer Wohnung, um einen Rohrbruch zu verhindern, ist weder üblich, noch kann es von einem vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nach Treu und Glauben verlangt werden. Insofern hat der Sachverständige bekundet, es handele sich bei einer GF-Rohrverbindung um eine unlösbare Verbindung, die auf einen Druck bis 16 bar ausgelegt sei. In dem Haus habe aber gerade ein Wasserdruck von 4 bar geherrscht. Eine Kaltwasserleitung brauche auch nicht gegen eine mögliche Druckerhöhung abgesichert werden.
Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch keine generelle Pflicht besteht, Leitungen ohne konkreten Anlass einer Generalinspektion zu unterziehen […] und vorliegend kein konkretes Risiko eines Rohrbruchs, bspw. aufgrund des Alters der Sanitäranlagen, bestanden hat, war ein Absperren des Hauptwasserhahns bei alleiniger nächtlicher Abwesenheit nicht erforderlich. Im Gegenteil war das streitgegenständliche Rohr neu. Gegen mangelhafte Werkleistungen muss ein Versicherungsnehmer keine Vorkehrungen treffen.
Es liegt auch keine Obliegenheitsverletzung vor, weil der Versicherungsnehmer der Klägerin die Praxis verlassen hat, ohne die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abzusperren. Nach der Aussage des Sachverständigen wäre dies technisch bei korrekter Montage des GF-Rohrs nicht erforderlich gewesen, weil eine sachgerechte Installation des Rohres unlösbar sei. Das Rohr sei dauerhaft dicht […] Wenn bei einer sachgerechten Montage das Rohr dauerhaft dicht ist, gibt es keinen zwingenden Grund, die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abzustellen.“
Das Installationsunternehmen, wahrscheinlich die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung, muss jetzt knapp 215.000 € zahlen. Plus Zinsen und Prozesskosten, die auch deutlich fünfstellig sind.
Entscheidung gilt nicht nur für Zahnärzte
Was hier für die Zahnärztin entschieden wurde, lässt sich auch auf andere Mieter übertragen. Niemand ist verpflichtet, wenn er zur Arbeit geht, ins Wochenende oder in den Urlaub fährt, den Hauptwasserhahn abzustellen.
Und noch eines zeigt die Entscheidung: wie wichtig Versicherungen sind.
Siehe auch: