Nicht jeder erdenkliche Zuweg auf einem Grundstück muss gefahrlos begehbar sein

06.03.2023 – Es ist grundsätzlich nicht die Aufgabe eines Grundstückseigentümers, jeden nur denkbaren Zuweg auf dem Grundstück völlig gefahrlos gegen alle erdenklichen, von dem Weg ausgehenden Risiken für die Nutzer auszugestalten. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.09.2022 – 17 W 17/22).


Es war schon dunkel, Anfang Februar 2021

Eine Nachbarin hatte sich auf Bitten der Pflegekraft der Eigentümerin des anderen Grundstücks bei Dunkelheit aus ihrer eigenen Garage über einen Steinweg und über die Terrasse der anderen in deren Wohnung begeben. Später hieß es, sie hätte den Weg hinten herum zwar gekannt, ihn aber noch nie benutzt.

Gegen 18:00 Uhr verließ sie dann die Wohnung, um zurückzugehen. Auf demselben Weg. Der war mit Blättern, Ästen und Moos bedeckt. Außerdem regennass und deshalb schmierig. Sie stürzte. Die Folgen waren schwer. Eine Scham-, Sitz- und Kreuzbeinfraktur. Jetzt wollte sie Schmerzensgeld dafür haben. Mindestens 20.000,00 €. Darüber hinaus noch Geld für einen Verdienstausfall, einen Haushaltsführungsschaden und weitere materielle Aufwendungen.


Keine Prozesskostenhilfe

Da sie kein Geld für den Prozess hatte, wollte sie Prozesskostenhilfe haben. Doch die gibt es nicht ohne Wenn und Aber. Der Prozess muss Aussicht auf Erfolg haben. Und daran scheiterte das Ganze in der ersten Instanz, vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Die Eigentümerin des Grundstücks, auf dem sie gestürzt war, sei nicht verpflichtet gewesen den untergeordneten Weg auf ihrem Grundstück zu reinigen, entschied das Landgericht.

Die Geschädigte gab nicht auf. Sie legte sofortige Beschwerde ein. Doch in der nächsten Instanz, vor dem Oberlandesgericht Frankfurt, lief es nicht besser. Das Landgericht habe zurecht einen Schadensersatzanspruch verneint, hieß es dort. Nicht jeder abstrakten Gefahr müsse vorbeugend begegnet werden. Es hätte sich nicht um eine der abhilfebedürftigen Gefahrenstelle gehandelt. Aus dem Beschluss:

“Es ist nicht Aufgabe der Antragsgegnerin, den Zuweg zu der Terrasse ihres Wohnhauses völlig gefahrlos gegen alle erdenklichen von dem Weg ausgehenden Risiken für die Nutzer auszugestalten […] Es ist vielmehr von dem Nutzer in unübersichtlichen Situationen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu verlangen […]

Vorliegend hat die Antragstellerin erstmals bei Dunkelheit einen - für sie erkennbar - nicht als eigentlichen Zugangsweg zu dem Wohnhaus der Antragsgegnerin gewidmeten Weg benutzt, um über die Terrasse in die Wohnung der Antragsgegnerin zu gelangen. Daran ändert auch der hier zu unterstellende Umstand nichts, dass der Weg von Pflegekräften und Angehörigen der Antragsgegnerin genutzt wird. Zu einem eigentlichen Zuweg zum Wohnhaus der Antragsgegnerin wird der Weg dadurch nicht, weil er nur von einem begrenzten und lebensnah zu unterstellenden mit den Umständen vertrauten Personenkreis genutzt wird. Dass sich die Antragstellerin anfänglich zur Nutzung des Weges durch die vorangehende Pflegekraft aufgefordert gefühlt haben mag, begründet für die Antragstellerin nicht etwa schon die Notwendigkeit, diesen Weg auch beim Verlassen der Wohnung zu benutzen. Der Antragstellerin war der Weg nicht näher bekannt, es war dunkel und der Weg war nicht ausgeleuchtet und führte zwischen der Hauswand und der Garage zu der Terrasse der Antragsgegnerin, wobei der Antragstellerin jedenfalls der eigentliche Eingang zu dem Wohnhaus bekannt war. Die Antragstellerin hat nicht etwa behauptet, die Beschaffenheit des Weges nicht wahrgenommen zu haben, was angesichts der Tatsachenlage und selbst bei Dunkelheit auch fernliegend wäre. So war nur der letzte Teil des Weges, rechts einmündend auf die Terrasse, mit Bodenfliesen versehen. Er wurde zudem von dem ansonsten ebenerdig verlaufenden Weg, auf dem sich in ungeordneter Folge Basaltplatten befanden, mit einer Stufe abgehoben, die bereits zu besonderer Aufmerksamkeit anhielt. Zudem beschreibt die Antragstellerin den Weg mit Ästen, Blättern und Moos bedeckt und regennass. Dass die Antragstellerin diese Beschaffenheit erkannt hat, steht für den Senat außer Zweifel, weil beim Begehen des Weges zur Wohnung dieser Bodenbelag - wie im Übrigen auch die Tatsache, dass der Weg von Bäumen/Büschen gesäumt und regennass war - durchaus wahrnehmbar sein musste.“


Entscheidung ist rechtskräftig

Die Reichweite der Begründung des Gerichts geht über diesen Einzelfall hinaus.

Die Geschädigte kann immer noch klagen. Nur nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Prozesstaktisch wäre davon abzuraten. Ein Urteil würde kaum einen anderen Inhalt haben, als der Beschluss. Nur das dann hohe Prozesskosten entstehen. Den Beschluss hatte sie kostenlos erhalten.