Steuerrechtsurteil: behindertengerechter Umbau des Gartens ist keine außergewöhnliche Belastung

27.02.2023 – Aufwendungen für einen behindertengerechten Umbau eines zum Einfamilienhaus gehörenden Gartens können nicht als außergewöhnliche Belastung bei der Steuer berücksichtigt werden.

Das entschied der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 26.10.2022 – VI R 25/20).


Schwerbehinderte Ehefrau

Ein Ehepaar wurde für das Jahr 2016 zusammen zur Einkommenssteuer veranlagt. Die Ehefrau litt an einem Post-Polio-Syndrom. Sie hatte einen Schwerbehindertenausweis, der einen Grad der Behinderung von 70 % auswies und die Merkzeichen einer Gehbehinderung (G und aG).

Die Eheleute waren Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einem großen Garten von rund 1.400 m². Unmittelbar vor dem Haus befanden sich zunächst Beete, auf denen die Frau Beerensträucher sowie Kräuter anbaute. Die Beete waren vom Haus aus fußläufig über eine schmale Zuwegung zu erreichen. Auf der Rückseite des Hauses befand sich eine Terrasse, die mit einem Rollstuhl erreicht werden konnte.


Gartenumbau für 7000 EUR

2016 ließ das Ehepaar den Weg vor ihrem Haus ausbauen und Hochbeete anlegen. Dafür zahlten sie knapp über 7.000 €, von denen rund 4.000 € auf die Arbeitskosten entfielen.

In ihrer Einkommenssteuererklärung beantragten sie dann den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung. An dieser Stelle stampfen wir die Schilderung des Geschehens etwas ein, um nicht den Rahmen des Blog-Beitrages zu sprengen. Nur so viel:

Der Fall gelangte zuerst zum Finanzgericht Münster und schließlich zum höchsten deutschen Finanzgericht, dem Bundesfinanzhof. Es lief nicht gut für das Ehepaar. Die Richter am Bundesfinanzhof sahen nicht, dass der behindertengerechte Umbau eines Privatgartens eine außergewöhnliche Belastung im steuerrechtlichen Sinne darstelle. Aus der Entscheidung:

“Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird […] Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen […]

Aufwendungen erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann […] Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen auf die Entschließung des Steuerpflichtigen in einer Weise einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann […], der Steuerpflichtige also keine tatsächliche Entschließungsfreiheit hat, bestimmte Aufwendungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Eine tatsächliche Zwangslage die im Streitfall allein in Betracht kommt kann nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet werden, nicht jedoch durch eine maßgeblich vom menschlichen Willen beeinflusste Situation.“


Nicht verpflichtet zu derartigen Konsumaufwendungen

Ausgehend von diesen Vorüberlegungen entschied dann der Bundesfinanzhof, dass die erste Instanz, das Finanzgericht Münster, zu Recht entschieden hatte, dass die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen anzusehen sind. Noch einmal aus der Entscheidung des Bundesfinanzhof:

“Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass die geltend gemachten Aufwendungen für den behindertengerechten Gartenumbau nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Denn sie sind der Klägerin nicht zwangsläufig entstanden. Zwar war die Umbaumaßnahme eine Folge der Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin. Die Klägerin war jedoch nicht aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen verpflichtet, derartige Konsumaufwendungen zu tragen. Die Umbaukosten standen (unter Anlegung des steuerlichen Maßstabs) vielmehr in ihrem Belieben. Diese Aufwendungen sind nicht vornehmlich der Krankheit oder Behinderung geschuldet, sondern anders als die krankheits- oder behindertengerechte Ausgestaltung des individuellen (existenznotwendigen) Wohnumfelds in erster Linie Folge eines frei gewählten Freizeit-/Konsumverhaltens. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Nutzung/Bewirtschaftung eines (zum Wohnhaus gehörenden) Gartens für den Steuerpflichtigen seit jeher ein nachhaltig Lebensfreude stiftendes Hobby darstellt, welches mit zunehmender körperlicher Beeinträchtigung an Bedeutung gewinnen kann.“