Urteil: Hähne müssen Lärmschutzvorschriften beim Krähen beachten

24.10.2023 – Wer regelmäßig unsere Bau-News-Beiträge liest, weiß, dass entgegen allen Gerüchten in Deutschland nicht alles geregelt ist. Doch mitunter stößt man auf Fälle und staunt: hier gibt es Regeln. Beispielsweise für das Hahnenkrähen in der Nachtzeit.

Das Landgericht Mosbach (LG Mosbach, Urteil vom 31.05.2023 – 5 S 47/22) entschied, dass zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr in einem allgemeinen Wohngebiet auch in ländlich geprägten Gebieten Hähne nicht lauter als mit 60 dB (A) krähen dürfen.


Drei Hähne zeigen, was sie drauf haben

Es heißt, dass es in Baden-Württemberg besonders ordentlich zuginge. Also ganz anders als bei uns in Berlin. Zugegebenermaßen: da ist was dran; deswegen liebt man Berlin. Doch im fränkischen Nordosten, im Raum Tauberbischofsheim, gab es Streit unter Nachbarn. Die einen hielten hobbymäßig Geflügel. Unter anderem drei Hähne. Die anderen fühlten sich dadurch in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr belästigt. Vor dem geöffneten Kinderzimmerfenster im Dachgeschoss und vor der geöffneten Balkontür vom Schlafzimmer im Erdgeschoss wäre ein Lärmpegel von mehr als 60 dB (A) zu hören, klagten sie.

Die Hobbygeflügelhalter verstanden das nicht. Man befände sich doch in einem äußerst ländlich geprägten Stadtteil. Eine Nutztierhaltung zur Selbstversorgung durch Hühner mit entsprechenden Hähnen sei nichts Ungewöhnliches, im Gegenteil.

Doch die anderen wollten ihre Ruhe in der Nacht haben. So kam es zu schließlich zu einem Prozess. Nicht der erste in Deutschland, bei dem es um krähende Hähne ging.


Erste Instanz Pro-Hahn

In der ersten Instanz, vor dem Amtsgericht Tauberbischofsheim, ging es für die Ruhesuchenden nicht gut aus. Dort schloss man sich dem Argument der Hobby-Geflügelhalter an, dass die Gegend ländlich geprägt und eine Nutztierhaltung von Hühnern und Hähnen nichts Ungewöhnliches sei. Und außerdem seien Maßnahmen gegen das Hahnenkrähen wirtschaftlich nicht zumutbar.


Der Streit war damit aber noch nicht zu Ende

Die ruhesuchenden Nachbarn legten Berufung ein. Beim Landgericht Mosbach sah man die Angelegenheit differenzierter als in Tauberbischofsheim. Hahnenkrähen zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr würde eine wesentliche Beeinträchtigung darstellen. Aus dem Urteil:

“Das Hahnenkrähen ist von kurzzeitigen Impulsen mit hoher Frequenz gekennzeichnet, die im Vergleich zu Dauergeräuschen als wesentlich lästiger empfunden werden. Es ist daher neben der Lautstärke insbesondere zu berücksichtigen, dass durch das periodische Krähen des Hahnes sich bei dem Gestörten eine Erwartungshaltung (ein Erwartungseffekt) einstellt, aus der heraus die plötzlichen und schrillen Töne des Krähens als besonders lästig empfunden werden. Regelmäßig sind Lärmstörungen durch Hahnenkrähen geeignet, bei den Betroffenen unmittelbar gesundheitliche Gefahren wie Schlafstörungen herbeizuführen […] Es ist anerkannt, dass nächtliches Hahnenkrähen störend ist, da es die zur Gesundheit unabdingbar erforderliche Nachtruhe unterbricht […]

Nach der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) sind nachts in einem allgemeinen Wohngebiet, in dem sich die Grundstücke der Parteien unstreitig befinden, grundsätzlich nur Geräuschemissionen von 40 dB (A) zulässig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die Immissionsrichtwerte in der Nacht um nicht mehr als 20 dB (A) überschreiten dürfen. Man kann schon Zweifel haben, ob das vor allem in den Morgenstunden dauerhaft, vermehrt und periodisch auftretende Krähen von Hähnen als kurzzeitige Geräuschspitzen zu qualifizieren ist oder nicht vielmehr aufgrund der Häufigkeit schon als Dauergeräusch empfunden wird. Aber selbst wenn man kurzzeitige Geräuschspitzen unterstellen will, wird mit den vom Sachverständigen ermittelten Werten von 64 (Schlafzimmer) bzw. 65 dB (A) (Kinderzimmer) auch der für Geräuschspitzen in der Nachtzeit (zwischen 22:00 und 6:00 Uhr) der nach TA Lärm zulässige Maximalpegel von 60 dB (A) überschritten.

Die Kammer hat nach alledem keinen Zweifel, dass der Maximalpegel in den Nachtstunden durch das Hahnenkrähen überschritten ist. Aber es werden vorliegend nicht nur die zulässigen Grenzwerte überschritten. Vielmehr beeinträchtigen die Gesamtumstände - unter Würdigung der Einzelfallumstände unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Menschen […] die Annehmlichkeit des Wohnens in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Beklagten deutlich. Ein Hahn kräht bekanntlich zu unterschiedlichen, nicht vorher bestimmbaren Tages- und - worum es hier ausschließlich geht - Nachtzeiten. Der Tierlaut stellt einen kurzfristigen Lärmimpuls dar, der im Vergleich zu einem Dauergeräusch als wesentlich beeinträchtigender empfunden wird. Hinzu kommt, dass die Kläger auch nachts im allgemeinen Wohngebiet in Geräuschspitzen deutlich - nämlich um 20 dB (A) - höhere Maximalwerte hinnehmen müssen, als bei Dauergeräuschen. Aufgrund der Besonderheiten des Hahnenkrähens, der als plötzlicher und schriller Ton wahrgenommen und damit als besonders lästig empfunden wird, ist jedenfalls bei Lautstärken in der Nacht, die über 60 dB (A) liegen, von einer wesentlichen Beeinträchtigung des klägerischen Grundstückes durch den Lärm vom Grundstück der Beklagten auszugehen.“


Hühnerstallberuhigung

Und die müssten die ruhesuchenden Nachbarn nicht dulden. Es sei nämlich möglich, den Hühnerstallschall zu dämpfen, so dass nachts ein Maximalpegel von 60 dB (A) nicht überschritten werde. Auch wenn das 3.000,00 € bis 4.000,00 € kosten würde. Noch einmal aus dem Urteil:

“Zwar hätte der Kläger selbst wesentliche Einwirkungen bei Ortsüblichkeit zu dulden, wenn die Beklagten darlegen und beweisen können, dass die Einwirkung nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Nutzern dieser Art wirtschaftlich unzumutbar sind […]

Gemessen hieran ist es den Beklagten durchaus zumutbar, den Hühnerstall auf eine Art und Weise nachzurüsten, dass die von den Hähnen ausgehenden Lärmemissionen den Maximalpegel von 60 dB (A) nachts nicht überschreiten, wobei es den Beklagten im Übrigen unbenommen bleibt, andere - gleich wirksame - Maßnahmen zu ergreifen.

Der Sachverständige führte in seiner mündlichen Anhörung in der Sitzung vom 07.11.2022 vor dem Amtsgericht aus, dass diverse Möglichkeiten bestünden, um die Lärmemissionen zu reduzieren. Der Sachverständige bezifferte die Maßnahmen zur Verbesserung des Schallschutzes mit Kosten in Höhe von 3.000,00 € bis 4.000,00 €. Dieser Betrag erscheint, nachdem die Beklagten dargelegt haben, dass der Hühnerstall bereits schallisoliert sei, eher hoch gegriffen. Aber selbst wenn man diesen Betrag unterstellen wollte, ist die Aufwendung dieses Betrages für die Beklagten wirtschaftlich zumutbar […] kann von den Beklagten verlangt werden […]

Auch in ländlich geprägten Gebieten kann nicht mit dem pauschalen Hinweis, dass die Tierhaltung lediglich hobbymäßig erfolge und dass damit Lärmschutzmaßnahmen, die über einem gedachten Liebhaberwert liegen würden, unverhältnismäßig seien, jeglicher Lärmschutz ausgehebelt werden. Auch in ländlichen Bezirken muss diesbezüglich eine sorgfältige Abwägung erfolgen: es ist somit das Interesse des Grundstückseigentümers an der möglichst umfassenden Nutzung seines Grundstücks gegen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die durch ein Grundstück, von dem Lärm herrührt, verursacht werden, abzuwägen. Bei der festgestellten Lautstärke und den gerade in den Morgenstunden deutlich zunehmenden, den Schlaf jeweils unterbrechenden Störungen der Nachtruhe - mit allen bekannten gesundheitlichen Nachteilen - misst die Kammer den gesundheitlichen Belangen des Klägers höhere Bedeutung als dem Wunsch der Beklagten, ihre lieberhabermäßig betriebene Hühnerzucht mit Hähnen ungestört auszuüben, zu.“


Man kann das auch anders sehen

In vergleichbaren Fällen hatten die Landgerichte im rheinland-pfälzischen Koblenz und dem nordhrein-westfälischen Kleve entschieden, dass solch teure Maßnahmen des Schallschutzes nicht zumutbar seien.



Siehe auch:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 09.03.2020 - Klein- und Haustiere im reinen Wohngebiet dürfen sein – auch wenn es viele sind]

[Bau-News-Beitrag vom 03.09.2021: Neun Hennen und ein Hahn sind im reinen Wohngebiet zulässig]