Verbraucher können (häufig) Werkvertrag widerrufen – Keine Widerrufsbelehrung: kein Wertersatz
11.11.2018 – Seit Anfang Januar 2018 gibt es ein neues Baurecht. Seitdem haben Verbraucher ein Widerrufsrecht, wenn sie einen Vertrag über einen Neubau oder über ganz erhebliche Umbaumaßnahmen geschlossen haben.
Doch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 30.08.2018 – VII ZR 243/17) zeigt, dass Verbrauchern beim Abschluss von Bauverträgen ein Widerrufsrecht auch schon dann zustehen kann, wenn es um wesentlich kleinere Arbeiten geht. Voraussetzung: der Bauvertrag wurde außerhalb der Geschäftsräume der Baufirma abgeschlossen. Beispielsweise zu Hause beim Verbraucher.
Eine Liftfirma bekam dies böse zu spüren.
Vertrag in Privatwohnung geschlossen
Im Osten Baden-Württembergs, nahe der Grenze zu Bayern gibt es das 27.000 Einwohner Örtchen Ellwangen (Jagst). Eine der Attraktionen vor Ort ist das Landgericht Ellwangen, in einem Gebäude aus dem Jahr 1748. Es ist für Ellwangen und die Dörfer in der Umgebung zuständig.
In einem dieser Orte gab es einen Eigentümer eines Wohnhauses. Anfang Mai 2015 bekam er einen Anruf. Ein Mitarbeiter einer Liftbaufirma fragte, ob er Interesse an der Installation eines Personenlifts in seinem Wohnhaus habe. Der Hauseigentümer war nicht abgeneigt. Am 13.05.2015 suchte ein Mitarbeiter der Firma ihn in seinem Wohnhaus auf und stellte ihm verschiedene Liftmodelle vor. Am Ende des Gesprächs wurde ein Vertrag über die Bestellung eines Senkrechtlifts zum Preis von 40.600,00 € geschlossen. Die Baufirma verpflichtete sich, den Lift innerhalb von ca. 10 Wochen nach Bauaufmaß und geklärter Bestellung zu liefern und zu montieren.
Einige Tage später erhielt der Hauseigentümer Planungsunterlagen, bestehend aus den Konstruktionszeichnungen und Angaben zu den von ihm zu tätigenden Vorarbeiten zum Einbau des Lifts. Außerdem eine Vorschussrechnung. Über 12.435,00 €. Der Eigentümer zahlte.
Bald gefiel dem Eigentümer alles nicht mehr
Doch schon wenige Tage später kam es zum Streit. Die ganze Konstruktion gefiel dem Eigentümer ihm nicht mehr und er forderte die Liftfirma auf, etliches zu ändern. Noch ein paar Tage später war sein Ärger wohl noch größer geworden. Jedenfalls erklärte am er 09.06.2015, dass er von dem Vertrag Abstand nehme und wiederholte das am 22.07.2015 schriftlich. Am 25.09.2015 legte er noch eins drauf: jetzt widerrief er ausdrücklich den Vertrag und forderte zur Rückzahlung der 12.435,00 € auf.
Die Liftfirma machte ihrerseits eine Rechnung auf. Die Einzelheiten würden den Rahmen dieses Bau-News-Beitrag überfordern. Jedenfalls kam sie zu dem Ergebnis, dass sie nichts mehr zurückzahlen müsse.
Gerichte: Widerruf möglich
So kam es zum Prozess. Groß war in der ersten Instanz, am Landgericht Ellwangen, die Überraschung bei ihr, als die Richter die Firma darauf hinwiesen, dass der Hauseigentümer wirksam den Vertrag widerrufe habe. Da er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei, hätte für ihn auch keine 14-Tagefrist gegolten. Und: wer einen Vertrag widerrufen kann, könne auch das gesamte Geld zurückfordern, das er für diesen Vertrag schon bezahlt habe.
Die Baufirma legte Berufung ein. Doch auch in der nächsten Instanz, am Oberlandesgericht Stuttgart bestätigten die Oberlandesrichter ihre Ost-Baden-Württembergischen Kollegen.
Die Liftbaufirma gab immer noch nicht auf. Sie ging in Revision, zum Bundesgerichtshof. Vergeblich.
Der Vertrag sei nach § 312g BGB widerrufbar, weil er außerhalb der Geschäftsräume der Liftbaufirma geschlossen worden war, stellte der Bundesgerichtshof fest. Es habe sich auch nicht um einen Kaufvertrag, sondern einen Werkvertrag gehandelt. Schließlich sei es auch um die Planung des Lifts und die funktionstaugliche Einpassung gegangen.
Fehlende Widerrufsbelehrung fällt auf die Füße
Die Widerrufsfrist von 14 Tagen sei auch gewahrt. Aus dem Urteil:
“Der Kläger hat die 14-tägige Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnt (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB), gewahrt, da die Beklagte den Kläger nicht über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet hatte (§ 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 3 EGBGB. In diesem Fall erlischt das Widerrufsrecht erst 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Ausgehend vom Vertragsschluss am 13. Mai 2015 war damit der Widerruf vom 25. September 2015 rechtzeitig.
[…] Der Ausübung des Widerrufsrechts steht die Erklärung des Klägers vom 9. Juni 2015, von dem Vertrag Abstand zu nehmen, nicht entgegen […] Der Verbraucher kann deshalb (innerhalb der Widerrufsfrist) frei wählen, ob er das Widerrufsrecht geltend macht. Dem Kläger war es daher unbenommen, nach einer etwaigen Kündigung […] sein Widerrufsrecht auszuüben.“
Böse Folgen für Handwerker
Für Handwerksbetriebe und Baufirmen kann diese Entscheidung böse Folgen haben. Häufig werden Bau- oder Handwerksleistungen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen. Wenn man es dann mit einem Verbraucher auf der Gegenseite zu tun hat, ist der über das Widerrufsrecht zu belehren. Auch dann, wenn es nicht um einen Neubau oder um eine erhebliche Umbaumaßnahme geht, sondern nur um kleinere Arbeiten.
Vergisst man das, hat der Verbraucher nicht nur ein 14-tägiges Widerrufsrecht, sondern hat dafür 1 Jahr und 14 Tage Zeit. Besonders schlimm ist es, wenn in der Zwischenzeit schon die Arbeiten erbracht wurden. Wird der Vertrag nämlich wirksam widerrufen, hat der Handwerksbetrieb oder die Baufirma einen Anspruch auf Wertersatz für all das, was sie nicht mehr zurücknehmen kann, nur dann, wenn eine ordnungsgemäße Information des Verbrauchers nach Artikel 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 3 EGBGB erfolgt war. Der Verbraucher muss zudem ausdrücklich dazu aufgefordert haben, schon vor Ablauf der Widerrufsfrist zu beginnen. Mündlich reicht nicht dafür, es muss auf einem „dauerhaften Datenträger“ (§ 357 Abs. 8 Satz 4 BGB) geschehen sein. Also schriftlich, beispielsweise auf Papier.
Handwerker und Baufirmen müssen sofort ihre Verträge überprüfen
Mit anderen Worten: ohne eine zutreffende Belehrung hat die Baufirma vielleicht für tausende oder zehntausende Euro gearbeitet und geht trotzdem am Schluss komplett leer aus. Oft wird man sich so etwas nicht leisten können.
Als Baufirma oder Handwerksbetrieb wird man jetzt die Gestaltung der eigenen Verträge und Formulare umgehend überprüfen müssen. Oder man lässt Verträge nur noch in den eigenen Geschäftsräumlichkeiten oder der Werkstatt schließen. Was im Alltag aber kaum durchzuhalten ist.
In einem Widerruf muss das Wort "Widerruf" nicht stehen: