Wer Putz aus reinem Kalk beauftragt, darf nicht mit Standard-Putz abgespeist werden

30.08.2023 – Ist ein Putz aus reinem Kalk oder mit einem hohen Kalkanteil besser als ein Gips-Kalk-Putz? Darüber mag man sich streiten und es wird manchmal auch die Auffassung vertreten, dass ein Schuss Esoterik dabei sei.

Doch ein Putz aus reinem Kalk oder mit einem hohen Kalkanteil wird zumindest bei Personen, denen eine besonders ökologische Bauweise wichtig ist, als höherwertig angesehen. Und wenn ein Auftraggeber einen solchen Putz in sein Bauwerk einbringen lassen möchte, kann der Auftragnehmer sich nicht darüber hinwegsetzen und einen Standard-Gips-Kalk-Putz einbringen.

Das entschied das Oberlandesgericht München (OLG München, Beschluss vom 14.04.2021 – 20 U 6129/20 Bau; rechtskräftig durch Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde BGH, Beschluss vom 21.06.2023 – VII ZR 439/21).

Der Baufirma half auch nicht der Hinweis auf die hohen Kosten einer Nachbesserung.


Kalk-Putz mit dauerhaft positiver Wirkung

Im bayerischen Raum Landshut wurde eine Baufirma mit Verputzbauarbeiten eines Neubaus beauftragt. Ein Hauseigentümer hatte ihr den Auftrag erteilt, einen Innenputz aus reinem Kalk oder mit hohem Kalkanteil aufzutragen. Er hatte ein besonderes Interesse an einer ökologischen Bauweise. Der Putz sollte nach seinen Vorstellungen für den Zustand des neu gebauten Wohnhauses und für die Gesundheit der darin lebenden Bewohner dauerhaft von positiver Wirkung sein.

Die Verputzfirma verputzte. Doch dann stellte sich heraus, dass sie eine falsche Putzart eingebracht hatte. Einen Gips-Kalk-Putz, nicht jedoch einen Putz aus reinem Kalk oder mit einem hohen Kalkanteil.


Baufirma: kein Unterschied zu "Standard-Putz"

Der Auftraggeber war damit ganz und gar nicht einverstanden. Dies würde nicht seinen ökologischen Vorstellungen entsprechen. Die Baufirma verstand das nicht. Ein wahrnehmbarer Unterschied zwischen einem Kalkputz oder einem Putz mit hohem Kalkanteil zu dem, was sie eingebracht habe, bestände doch nicht wirklich, meinte sie. Und schon gar nicht nach dem Abbinden.

So kam die Sache vor Gericht. Es begann mit einem selbständigen Beweisverfahren. Ein Sachverständiger stellte fest, dass tatsächlich nicht der bestellte Putz aus reinem Kalk oder mit einem hohen Kalkanteil eingebracht wurde.

Die Baufirma blieb davon unbeeindruckt. Nicht ganz unverständlich in Anbetracht der hohen Kosten einer Nachbesserung, bei der zuerst der (neue) alte Putz entfernt und dann ein neuer Kalk-Putz aufgebracht werden muss. Der Rechtsstreit endete an der Stelle nicht. Der Auftraggeber erhob Klage vor dem Landgericht Landshut, auch wegen Schäden an Fensterrahmen und Fensterbänken, welche die Verputzfirma verursacht haben soll. Rund 40.000 € verlangte er als Kostenvorschuss.


Prozess lief nicht gut für Verputzerfirma

Bis auf geringe Kosten für ein Sachverständigengutachten und für Schleifarbeiten wurde sie zu einer Zahlung verurteilt. Doch sie gab nicht auf und legte Berufung ein, zum Oberlandesgericht München. Dort lief es nicht besser. Das Gericht wies die Berufung zurück. Der Auftraggeber könne darüber entscheiden, welche Materialien er in welcher Ausführung in sein Bauwerk einbringen lassen möchte, entschieden die Richter. Aus dem Beschluss:

“Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, wonach ein Kalk-Gips-Putz mit einem Kalkanteil von mehr als 50 % etwas anderes ist als ein Gips-Kalk-Putz mit einem Kalkanteil von unter 50 %, so dass der Kläger grundsätzlich ein Recht auf Austausch des Putzes hat. Es ist dem Kläger als Bauherrn überlassen zu entscheiden, welche Materialien er in welcher Ausführung in sein Bauwerk einbringen lassen möchte. Für ihn kann die Vorstellung eines besseren Wohngefühls, eines besseren Schutzes der Gesundheit und einer besseren Erhaltung der Bausubstanz maßgeblich für die Entscheidung für oder gegen bestimmte Materialien oder Zusammensetzungen sein. Nachdem für die Beklagte erkennbar war, dass dem Kläger ein möglichst hoher Kalkanteil wichtig war, kann sie im Nachhinein nicht damit argumentieren, dass ein Putz mit einem deutlich niedrigeren Kalkanteil "genauso gut" sei. Ob die Beklagte die Überzeugungen des Klägers hinsichtlich der Vorteile eines Kalkanteils von über 50 % für falsch hält, ist ohne Relevanz, da sie als Auftragnehmerin nicht ihre eigene Wertung an die Stelle des Auftraggebers setzen kann […].

Soweit schließlich die Beklagte nunmehr beanstandet, dass der Kläger mit dem vom Sachverständigen errechneten Vorschuss einen reinen Kalkputz aufbringen lassen wolle, kann auch dies der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Es liegt im Wesen eines Vorschusses, dass später hierüber abzurechnen ist […] Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger tatsächlich nunmehr einen reinen Kalkputz "auf Kosten der Beklagten" aufbringen möchte, bestehen nicht. Es ist auch weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der geltend gemachte Vorschuss erheblich zu hoch wäre, weil der Sachverständige ausgehend von einem nicht geschuldeten reinen Kalkputz die Kosten der Selbstvornahme falsch ermittelt hätte […]


Münchener Entscheidung ist rechtskräftig

Die Verputzerfirma versuchte noch den Streit vor das höchste deutsche Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof zu bringen. Doch der beschloss, sich mit dem Fall nicht näher zu befassen.



Siehe auch:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 14.12.2020 - Auch ein Billighandwerker muss mangelfrei arbeiten]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 20.07.2021- Ehefrau haftet manchmal für Verträge des Mannes]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 11.02.2022 - Auch für "Schnäppchen" gibt es Käuferrechte]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 09.12.2022 - Handwerker hat (Laien) auf preisgünstige Alternativen hinzuweisen]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.12.2022 - Muss ein Architekt Baumaterialien im Labor überprüfen?]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 28.01.2023 - Bauherr muss nicht hartnäckig drängen, dass Baufirma endlich baut]