Zuwachs: ein Zweifamilienhaus mit vier Wohnungen
27.09.2023 – Einige Jahre ist es schon her, dass wir über den wundersamen Zuwachs eines Zweifamilienhauses berichteten. Die Behörde war in Nordrhein-Westfalen stutzig geworden. Das Haus verfügte nämlich über drei Briefkästen, drei Klingelschilder sowie drei getrennte Eingänge. War es wirklich noch ein Zweifamilienhaus?
Noch größer konnte vielleicht ein Zuwachs in Bayern sein. Dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH Bayern, Beschluss vom 24.07.2023 – 1 CS 23.1282) lagen Anhaltspunkte dafür vor, dass in einem Zweifamilienhaus gleich vier Wohneinheiten vorhanden waren.
Das dürfe die Bauaufsicht untersuchen, entschied das Gericht.
Dem Hauseigentümer gefiel das ganz und gar nicht.
Im Großraum München bekam die Bauaufsichtsbehörde Informationen über ein Zweifamilienhaus. In dessen Keller würden sich vier Wohnungen befinden. Was schon als solches eine ungewöhnliche Anordnung wäre.
Die Bauaufsichtsbehörde wollte sich das näher ansehen. Am 26.05.2023 erließ sie einen Bescheid. Das Betreten des Kellergeschosses dieses Hauses sei zur bauaufsichtlichen Überprüfung sowie des Fertigen von Fotos durch Vertreter der Bauaufsichtsbehörde zu gewähren. Und damit der Hauseigentümer sich nicht in ein Klageverfahren flüchtet, wurde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet.
Der Hauseigentümer versuchte tatsächlich die Flucht nach vorn. Warum auch immer. Er erhob Klage gegen diesen Beschluss und beantragte, dass solange die Klage läuft, das Haus nicht betreten werden dürfe. Warum nicht? Mitnichten würde es vier Wohnungen im Keller geben, trug er vor. Aber es gäbe eine „Vorgeschichte“.
Vor dem Verwaltungsgericht München überzeugte er nicht. Doch er gab nicht auf und legte Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung ein. Vergeblich. Die Münchener Kollegen in der ersten Instanz hätten richtig entschieden, stellte der Senat des Verwaltungsgerichtshof Bayern fest. Aus dessen Beschluss:
Zwei-Familienhaus mit vier unterschiedlich belegten Briefkästen und Türklingeln
“Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg […]
Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen […] Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen:
Nach […] sind die mit dem Vollzug der Bayerischen Bauordnung beauftragten Personen berechtigt, in Ausübung ihres Amtes Grundstücke und Anlagen einschließlich Wohnungen zu betreten, wenn eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht. Die Kellerräume im Gebäude des Antragstellers unterfallen dem Wohnungsbegriff des Art. 13 Abs. 1 GG. Eine konkrete Gefahr wird nicht vorausgesetzt […]
Eine solche Gefahr kann beispielsweise angenommen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei einem Bauvorhaben anstelle von zwei genehmigten Wohneinheiten eine Belegung mit vier Wohneinheiten vorliegen könnte. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass solche Anhaltspunkte schon aufgrund der Aktenlage vorliegen und darüber hinaus der Anschein einer tatsächlichen Belegung mit mehr als zwei Wohnungen gegeben war bzw. ist. Nach der Baubeschreibung des genehmigten Bauvorhabens sind jeweils vier Stromzählerschränke, Hauptsicherungsautomaten, Waschmaschinenanschlüsse, Badanschlüsse und Briefkästen vorgesehen; das Steuergerät für die Sprechanlage ist für vier Türklingeln ausgelegt, zudem sind vier unterschiedlich belegte Briefkästen und Türklingeln vorhanden […]
[…]Die dagegen gerichtete Beschwerdebegründung beschränkt sich darauf, der Annahme des Verwaltungsgerichts zu widersprechen und die „Vorgeschichte“ darzulegen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht genannten Indizien, die die Vermutung von Baurechtsverstößen begründen können, enthält die Beschwerdebegründung nicht. Die Behauptung, dass es im Wohngebäude nur zwei Stromzähler gebe, reicht nicht aus, da deren Anzahl gerade streitig ist und einer Überprüfung bedarf. Der Betretensanordnung steht auch weder die behauptete teilweise Nutzung der Kellerräume als Hobbyraum bzw. eine künftig mögliche nicht störende untergeordnete gewerbliche Nutzung noch die Frage der Verlegung etwaiger Kanalleitungen unter der Bodenplatte entgegen. Denn die Frage, ob es sich um zulässige Nutzungen handelt, kann angesichts der vorstehend aufgeführten gewichtigen Indizien, die eine Nutzung von vier Wohneinheiten nahe legen, nur durch die Ermittlung der Bestandssituation erfolgen, für die das Betreten des Grundstücks bzw. des Kellergeschosses erforderlich ist, da sich weder von außen noch durch ein benachbartes baugleiches Gebäude sichere Erkenntnisse gewinnen lassen. Auch ein Mietvertrag (hier des vormaligen Mieters) vermag nicht entscheidend für die Beurteilung des Vorliegens einer eigenständigen Wohneinheit im Gebäude beizutragen, weil die Bestandssituation von dem Mietvertrag abweichen kann.
Der Einwand des Antragstellers, die Behörde habe nach Besichtigung des baugleichen Nachbaranwesens kein Interesse mehr an einer Besichtigung seines Wohngebäudes gehabt, ist bereits nicht nachvollziehbar. Nach den vorliegenden Unterlagen war der Antragsteller im Jahr 2022 „nach wie vor“ mit einer Wohnungsbegehung nicht einverstanden […] Im Übrigen erschließt es sich dem Senat nicht, warum der Antragsteller, der ursprünglich seine Bereitschaft zur Besichtigung der Kellerräume erklärt hat, diese nunmehr verweigert. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass das Landratsamt die Anordnung allein aufgrund von „unzutreffenden Tatsachen“ und damit ohne sachlichen Grund getroffen hat. […]“
Auch wenn die Entscheidung zum bayerischen Baurecht erging. In anderen Bundesländern würde sie nicht anders aussehen.