Baufirma stellt Bauzaun auf – und haftet erst einmal bei dessen Einsturz

17.10.2017 - Einen umgestürzten Bauzaun haben die meisten sicherlich schon einmal gesehen. Nicht nur nach Unwettern. Meistens ist nichts weiter passiert, irgendwann wird er wieder aufgehoben und erfüllt erneut seine Funktion.

Manchmal kommt es aber doch zu einem Schaden. So bei einem Fall, den das Amtsgericht München (AG München, Endurteil vom 19.12.2016 - 251 C1 5396/16) zu entscheiden hatte. Ein umgestürzter Bauzaun hatte einen Pkw beschädigt. Die Baufirma, die den Bauzaun aufgestellt hatte, muss Schadensersatz zahlen, entschied das Gericht. Ihr half auch nicht der Einwand, sie hätte zwischenzeitlich seine Arbeiten beendet und nun seien andere Firmen vor Ort gewesen, die sich um den Zaun hätten kümmern können.


Baustelle verlassen, Zaun blieb zurück

In München hatte eine Baufirma den Auftrag erhalten, einen Rohbau zu errichten. Die Baufirma richtete die Baustelle ein und schützte sie mit einem Bauzaun. Dann errichtete sie den Rohbau und verließ die Baustelle. Eine andere Firma setzte die Arbeiten fort. Der Bauzaun verblieb an Ort und Stelle.

Wochen später begann die andere Firma die Baustelle zu räumen. Sie demontierte teilweise den Bauzaun, fuhr einen Kran heraus und stellte den Zaun erneut auf. Aber wohl nicht richtig: einige Tage später stürzte er in der Nacht auf einen ordnungsgemäß geparkten Pkw. Der wurde dadurch beschädigt.


Gericht: klare Absprache mit nächster Baufirma fehlt

Der Eigentümer des Pkw verlangte Schadensersatz von der Baufirma, die den Zaun zuerst aufgestellt hatte. Diese wollte damit nichts zu tun haben. Ihr Argument: sie sei doch schon Wochen vorher von der Baustelle abgezogen. Die nächste Baufirma hätte besser aufpassen müssen. Damit kam man am Amtsgericht nicht durch:

Die Verkehrssicherungspflicht ist vorliegend durch die Gefahreröffnung, d.h. das Aufstellen des Bauzauns, entstanden. Diese besteht grundsätzlich fort, bis sie in tatsächlicher Hinsicht von einem Dritten übernommen worden ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Es genügt insofern nicht, dass die Streitverkündete [Anmerkung Rechtsanwälte Radziwill: das war die nächste Baufirma] den Zaun demontiert und anschließend wieder aufgestellt hat, ein derartiges Eingreifen eines Dritten lässt die Haftung nicht entfallen, sofern dieser Dritte nicht tatsächlich auch die Verkehrssicherungspflicht übernommen hätte, was offenbar nicht der Fall war. Etwas anderes würde nur gelten, wenn eine entlastende Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf die Kranfirma erfolgt wäre, eine solche Übertragung bedarf zu ihrer Wirksamkeit jedoch einer klaren und Dritten gegenüber erkennbar verpflichtenden Absprache […]. Das Verlassen und Räumen der Baustelle nach Beendigung der eigenen Arbeiten genügt hierfür nicht. Für die Tatbestandsmäßigkeit genügt im Übrigen bereits das bloße Unterlassen gebotener Sicherungsmaßnahmen, wovon vorliegend dem Anschein nach bereits deswegen auszugehen ist, da der Zaun umgefallen ist.“


Auch Bauherr haftet

Das Urteil entspricht der Rechtslage. Übrigens hätte auch der Bauherr zum Schadensersatz herangezogen werden können, wird darin angedeutet:

„Der Unternehmer haftet insofern neben den Bauherrn. Die Sicherungspflichten auf Baustellen treffen zwar zunächst den Bauherrn als Veranlasser der gefährlichen Aktivitäten. Nach allgemeinen Grundsätzen haften allerdings auch Architekten und Bauunternehmer im Rahmen der ihnen übertragenen und auch tatsächlich wahrgenommenen Aufgabenkreise. Deren Sicherungspflichten überdauern den Zeitpunkt der Fertigstellung und Abnahme des Bauwerks, denn sie beruhen nicht auf dem Zustand des von ihnen kontrollierten Grundstücks, sondern auf gefährlichem Verhalten“

Um derart misslichen Situationen zu entgehen, empfiehlt sich für jeden Bauherrn der vorherige Abschluss einer Bauherrenhaftpflichtversicherung. Geht beim Bauen etwas schief, kann sonst schlimmstenfalls der Ruin drohen.





Probleme mit den Verkehrssicherungspflichten auf Baustellen sind immer wieder ein Thema in unserem Bau-News-Blog:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.05.2012: Bauherr stürzt vom Gerüst – nicht immer haftet die Baufirma]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 03.12.2013: Kein Schmerzensgeld nach Sturz – Baufirma muss Bauherrn auf Baustelle nicht vor sich selber schützen]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.04.2014: Von oben in den Keller gestürzt – Keine Haftung der Baufirma, wenn Bauherr auf ungewöhnlichem Weg in den Bau gelangte]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.04.2014: Ein Bauherr muss Fachleute nicht auf Sicherungsmaßnahmen hinweisen]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 30.05.2014 - Gerichtsurteil: Heimwerker muss wissen, dass er Sicherheitsarbeitsschuhe tragen muss]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 29.09.2014 - Landgericht Coburg: wer eine ausgehängte Tür verschiebt, ist nicht schutzbedürftig]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 25.01.2017: Kein Schadensersatz wenn Baustelle aufgeräumt ist]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.10.2017: Baufirma stellt Bauzaun auf – und haftet erst einmal bei dessen Einsturz]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.05.2019: Wer bei Ende von Bauarbeiten die Baustelle in unsicherem Zustand verlässt, haftet weiter]

[Zum Bau-News-Beitrag vom 06.08.2019: Fallgrube hinter Notausgang – das kann teuer werden]



Dieser Beitrag ist im Blog „Bau-News“ erschienen.


Ihr Ansprechpartner: Claus Radziwill, Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin

Radziwill ● Blidon ● Kleinspehn
Rechtsanwälte | Fachanwälte

Kontakt über Telefon
030 - 861 21 24

Kontakt über Fax
030 - 861 26 89

Kontakt über E-Mail
mail [at] radziwill.info