Die toten Ratten eines Abzockeranwalts – drei Lehren für den Kampf
24.07.2012 – 1,73 m groß, Gewicht manchmal 50 Kilo, Probleme mit der Haut, FDP-Engagement, Rechtsanwalt seit dem 26.01.2000, eine 9 m² Kanzlei in der Wohnung der Eltern, in Lastrup – ein Ort, den man mit einem Navi findet. Mutti hatte den Teppichboden für das ehemalige Schlafzimmer der verstorbenen Großmutter ausgewählt – einen weißen. Mandanten durften deshalb die Kanzleiräume nicht betreten. Man setzte sich ins Wohnzimmer, die Eltern gingen so lange nach nebenan. Eine Freundin? So etwas wollte Mutti ganz und gar nicht:
„Mich mit Lena ohne das Wissen meiner Eltern zu treffen, war gefühlt das Verbotenste was ich überhaupt machen konnte. Es wäre kein Problem gewesen, ihre Konten leerzuräumen, das Haus abzufackeln oder Omas Grab zu schänden. Aber für das Treffen mit Lena hätte mich meine Mutter vermutlich für einen Gastbesuch ins Höllenfeuer geschickt (S. 58).“
Wenn er sie treffen wollte, musste er Ausreden für zu Hause erfinden – dass er einen Freund besuche oder auf einer Tagung sei. Noch als Mann von Mitte dreißig.
Kurzum: es war schon ein ziemlich mieses Leben, das Olaf Tank, geboren am 18.04.1970, führte.
Dann wechselte er auf die dunkle Seite, wurde zum Abzockeranwalt. In Osnabrück. Nicht zu irgendeinem, sondern dem in der Champions League der Inkassoanwälte - und machte ein Vermögen. Zu seinen Klienten gehörten die Firmen der Brüder Andreas Walter Schmidtlein und Jan Manuel Schmidtlein nebst Hintermann. Deren Spezialität: Internet-Abofallen. Auf Internetseiten wurden Kunden gelockt, die dann unbeabsichtigt ein kostenpflichtiges Abonnement schlossen.
Seit dem 12. Dezember 2010 sind die Mandate für die Firmen Redcio OHG, die Content Services Ltd. und die Antassia GmbH beendet. Freiwillig? Wegen toter Ratten, die Olaf Tank mit der Post erhielt? Oder wegen 3800 Strafanzeigen? Und Hausdurchsuchungen? Erkennungsdienstlichen Maßnahmen?
Es gibt jetzt einen biographischen Roman über ihn. Von Manuela Thoma-Adofo (Tote Ratten für den Tankwart, München, 2012); sie ist seine Ehefrau. Geschrieben aus der Ich-Perspektive des Olaf Tank. Freimütig werden auf 366 Seiten Einblicke gewährt: über die Probleme mit seiner Mutter. Die ihm, als er schon auf die 40 zuging und Manuela Thoma-Adofo heiraten wollte, Vorwürfe machte, warum er damit nicht die Jahre bis zu ihrem Tod warten könne. Oder über seine Probleme, bei Frauen zum Schuss zu kommen. Es gibt nun einmal viele Formen des Exhibitionismus, diese ist noch die harmloseste.
Wir haben das Buch nicht als Voyeure gelesen. Die Person des Olaf Tank ist als solche nicht wichtig; er war letztlich auch nicht viel mehr als ein Handlanger. Sondern um Nutzanwendungen zu finden: für den Kampf gegen die Abzockerszene.
Drei Lehren liefert die Lektüre. Auch dafür, wenn man mit Abofallen der nächsten Generation zu tun hat. Oder der Branchenbuchbetrüger-Szene.
Die erste Lehre:
Man ahnte es immer, im Buch kann man es jetzt lesen: Es geht um richtig viel Geld.
Nach einer Infas-Pressemitteilung vom 19.08.2011 waren in den zuvor vergangenen zwei Jahren 5.4 Mio. Personen Opfer einer Abofalle geworden. Bei durchschnittlich 100 EUR, die das kosten soll, reden wir also von einer halben Milliarde Euro. Viel zu viele der Betroffenen zahlen. Bei der Lektüre des Buches wird deutlich, wieviel bei den einzelnen Abzockern als Profit hängen bleibt. Zum Beispiel bei Olaf Tank.
Als Kosten für den Kanzleiaufbau werden hundertfünfzigtausend Euro genannt. Bis zu achtzig Mitarbeiter, an anderer Stelle des Buches ist von bis zu hundert die Rede, waren beschäftigt. Auf 530m² angemieteter Kanzleifläche, später kamen noch gute 1000 m² dazu. Sicher werden nicht alle in Vollzeit gearbeitet haben. Aber auch dann verursacht ein solcher Kanzleibetrieb sechsstellige Kosten. Pro Monat.
Die kamen rein. Sogar noch mehr. Viel mehr! Denn Olaf Tank konnte sich damit Autos leisten. Aus dem Luxussegment. Als er sich nicht zwischen dem Mercedes CLS und dem Porsche Carerra entscheiden konnte, kaufte er gleich beide. Nicht etwa gebraucht. Weitere kamen dazu. Im Buch ist die Rede vom SL 600, dem SL 65 AMG, der auf 300 Stück limitierten SL 65 AMG Black Series. Für die Freundin die R-Klasse – ein Jahreswagen. Olaf Tank liebte auch sonst ein luxuriöses Leben – jedenfalls nach dem Buch.
Übrigens trug eines der Autos unter dem Kennzeichen den Zusatz „Verbrechen lohnt sich doch“. Ein Geschenk der lieben Ehefrau. Auf so etwas muss man erst einmal kommen.
Natürlich werden auch die Brüder Schmidtlein und ihr Hintermann, der im Buch nur als „El Presidente“ bezeichnet wird, ordentlich verdient haben. Sonst hätten sie Olaf Tank irgendwann das Mandat entzogen.
Die zweite Lehre:
Die Abzocker-Szene mischt in Foren oder ähnlichen mit. Zitat aus dem Buch:
„An manchen Blogs beteiligten wir uns mit mehreren Namen und nahmen völlig unterschiedliche Positionen ein (S. 186).“
Wenn man beispielsweise Foren liest, die sich aktuell mit der Vendis GmbH und ihrem Internetauftritt Grosshandel-Angebote.de beschäftigen, könnte man meinen, dass auch dort manch Freunde dieser Firma mit schreiben. Im Brustton der Überzeugung werden falsche Ratschläge erteilt. Die schlimmstenfalls dazu führen, dass eine Verteidigung gegen unberechtigte Forderungen der Vendis GmbH nicht mehr möglich ist. Und auch das kann man dann lesen: Rechtsanwälte solle man als Betroffener auf keinen Fall aufsuchen, die würden das nicht richtig angehen – ein sicher inniger Wunsch aller Abzocker, nicht nur der Vendis GmbH.
Die dritte Lehre:
Die dritte Lehre ist die wichtigste. Wenn man der Abzockerszene ihre Konten nimmt, hat sie ein Problem. Zitieren wir wieder aus dem Buch:
„Die Verbraucher hatten eine Achillesferse im System gefunden […] Es war der schlaueste Weg der sich bot, denn er grub das Wasser da ab, wo es fließen sollte. Die Banken, bei denen ich oder meine Mandanten Konten hatten, kündigten uns reihenweise die Geschäftsbeziehung (S. 114).“„
Wenn ich keine Konten hatte, dann konnte ich den Schuldnern auch nicht mitteilen, wohin sie ihr Geld überweisen sollten. Wenn man nicht überweisen konnte, dann kam auch nichts rein. So einfach war der Käse (S. 114).“
„Das Dilemma der Banken war groß. Einerseits waren die hohen Umsätze auf meinen Konten zwar durchaus angenehm für jedes Haus, andererseits entwickelten mache Leute einen geradezu bewundernswerten Ehrgeiz, den Banken mit Kündigungen und Vorwürfen so lange zuzusetzen, dass es besser war, sich von uns zu trennen, als vom Geld zu profitieren (S. 114).“
„Das Bankenproblem war mittlerweile nicht nur lästig, nein, es wurde zunehmend fatal. Es bestand allerhöchster Handlungsbedarf. Sowohl meine Mandanten als auch ich hatten beinahe alle deutschen Bankinstitute durch und kaum noch eine wollte sich noch auf uns einlassen (S. 145).“
„Das Bankenproblem war nicht ansatzweise gelöst. Nur verschoben. Eine völlig neue Erfahrung versprachen wir uns von der türkischen Ziirat Bank. Online hatten wir dort ein Konto eröffnet und gingen davon aus, dass die vielleicht ein wenig schmerzfreier wäre, was Beschwerden anginge. Das waren sie auch. Das Konto war noch schneller gekündigt als bei ihren deutschen Kollegen und meine Beschwerde wegen Nichteinhaltens der sechswöchigen Kündigungszeit wurde völlig schmerzfrei ignoriert (S. 152).“
„… über dreihundert brave Bankkunden hatten sich über das schwarze Schaf beschwert. Schluss war’s mit Konto. Wieder mal (S. 341).“
Warum überhaupt so ein Buch?
Manuela Thoma-Adofo ist PR-Spezialistin. Olaf Tank hat derzeit ein Problem - und braucht gute PR. Er ist zwar noch Rechtsanwalt. Das amtliche Anwaltsverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer nennt jetzt eine Kanzleianschrift in München. Das Landgericht Darmstadt hat mittlerweile aber eine Anklage der Staatsanwaltschaft wegen gewerbsmäßigem Betrug gegen ihn zugelassen. Und in einem zweiten Verfahren hat die Staatsanwaltschaft Landshut gegen ihn wegen Betrugs einen dinglichen Arrest in Höhe von 4.652.720,12 Euro beim Landgericht Landshut erwirkt und begonnen, seine Vermögenswerte zu sichern, um Vermögensverschiebungen zu verhindern.
Ein Buch, um vielleicht mildernde Umstände zu erreichen? Wegen einer schweren Erwachsenenzeit, einer dominanten Mutter und weil es so lange in Sachen Frauen nicht gut lief? Es wäre eine Chuzpe, vergleichbar mit dem, der seine Eltern umbringt und dann vor Gericht plädiert, man möge berücksichtigen, dass er jetzt Vollwaise sei.
Anmerkung: Wir haben nach einem Hinweis das Geburtsdatum korrigiert.
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