Ein Bauherr muss Fachleute nicht auf Sicherungsmaßnahmen hinweisen

17.04.2014 – So wie schon im letzten Beitrag, geht es auch in diesen Bau-News um Verkehrssicherungspflichten auf einer Baustelle. Solche Pflichten können nicht nur Baufirmen haben, sondern auch die Bauherren.

Ein Elektriker wurde bei Arbeiten schwer verletzt. Sein Vorwurf an den privaten Bauherrn: der hätte dafür sorgen müssen, dass ihm auf der Baustelle nichts passiert. Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Beschluss vom 21.02.2014 – 11 W 15/14) sah das nicht so und stellte fest: ein Bauherr ist im Rahmen seiner bestehenden Verkehrssicherungspflicht nicht verpflichtet, den Handwerker anzuweisen, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen gegen Gefahren zu ergreifen, die der Handwerker selbst rechtzeitig erkennen und auf die er sich einstellen kann.

26 Jahre alt war ein Elektriker, der im Februar 2010 im Münsterland mit Arbeiten zur Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Halle beschäftigt war. Die Halle war mit Eternit-Platten abgedeckt. Im Randbereich der Dachfläche war die Eternitfläche unterbrochen durch sogenannte Lichtfelder. Diese Lichtfelder waren aus transparentem Plastik. Auch ein Laie konnte erkennen, dass sie nicht durchsturzsicher waren.

Der Elektriker und seine Kollegen begannen mit ihren Arbeiten, ohne die Lichtfelder mit Bohlen oder Fangnetzen zu sichern. Dann geschah es: im Verlauf der Arbeiten trat der junge Elektriker versehentlich auf ein Lichtfeld. Es brach und der Mann stürzte sieben Meter tief auf den darunter liegenden Hallenboden. Er erlitt schwere Verletzungen, vor allem des Beckens und der Harnröhre.

Nachdem gesundheitlich das Schlimmste überstanden war, kam es zum Streit. Er forderte von dem Bauherrn Schmerzensgeld, 90.000,00 EUR sollten es sein. Außerdem Ersatz des Verdienstausfalles. Sein Vorwurf gegen den Bauherrn: der habe gewusst und sehen können, dass die Lichtfelder eine Gefahrenquelle waren. Er habe damit rechnen müssen, dass jemand während der Installationsarbeiten versehentlich auf das Lichtfenster treten könne. Er hatte deshalb die Anweisung geben müssen, die Lichtfelder ordentlich zu sichern. Außerdem hätte der Bauherr ihn und seine Kollegen als „Jungs“ angesprochen. Jungs aber müsse man noch besonders schützen.

Auf Umwegen gelangte die Auseinandersetzung zum Oberlandesgericht Hamm: im Rahmen eines Verfahrens über die Frage, ob dem Elektriker, der nicht über ausreichende finanzielle Mittel für einen Rechtsstreit verfügte, Prozesskostenhilfe gewährt werden kann. Das Landgericht Münster hatte dies mit der Begründung abgelehnt, seine Klage hätte keine Aussicht auf Erfolg. Dagegen hatte der Elektriker sofortige Beschwerde eingelegt.

Vergeblich. Prozesskostenhilfe wurde weiterhin nicht gewährt, denn ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld besteht nicht, meine das OLG Hamm. Aus dem Beschluss:

„Die Gefahren der Montage der Photovoltaikanlage auf dem Hallendach resultierten aus dem Risiko, seitlich vom Dach zu stürzen oder durch die Lichtfelder einzubrechen. Diese Gefahren waren der Arbeit auf dem Dach jedoch immanent und offen erkennbar. Der Antragsteller und seine Kollegen konnten selbst sehen, dass die Lichtfelder nicht halten würden, wenn sie versehentlich betreten würden.

Eine Warnung vor diesen offensichtlichen Gefahren war daher entbehrlich. Ebenso wenig musste der Antragsgegner den Antragsteller anweisen, die Lichtfelder zu sichern.

Der Antragsgegner durfte davon ausgehen, dass der Antragsteller und seine Kollegen die Gefahren einschätzen und beherrschen konnten […]

Als nicht sachkundiger Auftraggeber durfte er aber grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Antragsteller und seine Kollegen das Risiko eines Sturzes vom Dach oder durch ein Lichtfeld erkannten und beherrschten. Die Gewährleistung der eigenen Sicherheit bei der Ausführung der Arbeiten fällt grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der ausführenden Handwerker, also des Antragstellers und seiner Kollegen.“

Es kann für einen Bauherrn aber auch anders ausgehen. Damit das dann nicht die Wirkung eines negativen Lottogewinns hat – die Höhe der Haftung ist nicht begrenzt und unter Umständen zahlt man ein Leben lang - sollte ein Bauherr eine Haftpflichtversicherung haben. Üblicherweise ist in der Privathaftpflichtversicherung oder in der Betriebshaftpflichtversicherung das Bauherrenrisiko enthalten, wenn sie die Haus- und Grundstückshaftpflicht umfasst. Meistens ist sie aber auf eine bestimmte Bausumme beschränkt, mitunter auch in der Haftungshöhe. Über die Folgen, die das haben kann, hatten wir vor knapp einem Jahr in unserem Bau-News-Blog gepostet:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 27.05.2013: Privathaftpflichtversicherung schützt ambitionierte Hobbywerker nicht unbegrenzt]

Wird die versicherte Bausumme überschritten, wäre der Abschluss einer gesonderten Bauherrenhaftpflichtversicherung dringend geboten. Deren Prämien sind überschaubar - als Faustformel kann man sie mit einem Promille (also einem Tausendstel) der Bausumme ansetzen; was kein Vergleich mit den Kosten ist, die im Schadensfall unter Umständen auf einen zukommen.



Probleme mit den Verkehrssicherungspflichten auf Baustellen sind immer wieder ein Thema in unserem Bau-News-Blog:

[Zum Bau-News-Beitrag vom 23.11.2011]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.05.2012]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 03.12.2013]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.04.2014]



Dieser Beitrag ist im Blog „Bau-News“ erschienen.



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