Gerichtsurteil: Heimwerker muss wissen, dass er Sicherheitsarbeitsschuhe tragen muss
30.05.2014 – Wir haben Frühling. Eine Zeit, wo gerne Heimwerkerarbeiten in Haus und Garten durchgeführt werden. Nicht immer verletzungsfrei. Wer einmal kräftig mit einem schwereren Hammer daneben geschlagen und seinen Daumen getroffen hat, weiß, wie schmerzhaft so etwas sein kann. Dass ein solcher Hammer abrutscht und aus zwei Meter Höhe den großen Zeh trifft, der in offenen Schuhen steckt, wünscht man schon keinem. Wer Handwerkerarbeiten ausführt, sollte aus eigenem Interesse wissen, wie solch Malheur, wenn es denn passiert, keinen größeren Schaden anrichtet. Doch wie weit muss die Kenntnis eines normalen Heimwerkers reichen? Muss er etwa wissen, dass er bei bestimmten Arbeiten Sicherheitsarbeitsschuhe zu tragen hat? Ja, meinte das OLG Saarbrücken (OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.08.2013 – 2 U 32/13) in einem mittlerweile rechtskräftig gewordenen Urteil.
Ein Heimwerker, dem beim Aufbau eines Swimmingpool-Bausatzes die untere Kante einer 40,8 kg schweren Stahlwand eine Sehne aus dem rechten Fußrücken durchtrennte, ging leer aus. Er hatte unter anderem Schmerzensgeld von mindestens 15.000,00 EUR gefordert. Er hätte wissen müssen, dass man bei solchen Arbeiten einen Sicherheitsschuh tragen muss, meinte das Gericht.
Ob das wirklich „im Bereich des allgemeinen Erfahrungswissens des hier in Betracht kommenden Abnehmerkreises“ liegt, wie es im Urteil heißt, kann man allerdings auch anders sehen.
Ein Heimwerker hatte die Herstellerin eines dreiteiligen Swimmingpool-Sets verklagt. Der Heimwerker hatte es über einen Versandhandel zum Selbstaufbau erworben. Im Urteil ist dazu ausgeführt:
„Der Lieferung war eine Montageanleitung beigefügt, worin es unter anderem heißt: „4. Die Montage Rundbecken. Die Beckenmontage sollte mit mind. zwei Personen durchgeführt werden. Wir empfehlen beim Aufstellen der Stahlwand Handschuhe anzuziehen. (…)“
5.3 Aufrollen der Stahlwand. Stellen Sie mit Ihren Helfern die Stahlwand in der Mitte des Profilschienenkreises auf starke Bretter. Rollen Sie die Stahlwand auf und setzen Sie diese entsprechend in die Profilschienen ein. (…)“
Zwei Tage nach der Anlieferung begann der Mann mit dem Aufbau des Pools. Es kam zu einem Unfall. Die untere Kante der insgesamt 40,8 kg schweren Stahlwand trennte die Sehne des „musculus tibialis anterior“ auf seinem rechten Fußrücken durch. Der Heimwerker sah darin einen Instruktionsfehler der Pool-Herstellerin. In der Montageanleitung sei nicht ausreichend vor den Gefahr bringenden Eigenschaften der scharfkantigen Stahlwand des Pools gewarnt worden. Vor allem hätte der Hinweis gefehlt, dass beim Aufbau des Pools Sicherheitsarbeitsschuhe zu tragen seien.
Mit seiner Klage, die sich auf einen Fehler nach dem Produkthaftungsgesetz oder den § 823 Abs. 1 BGB stützte, scheiterte er in der ersten Instanz vor dem Landgericht Saarbrücken. Auch die Berufung zum Oberlandesgericht Saarbrücken war erfolglos. Die Pool-Herstellerin hätte mit Ihrer Bedienungsanleitung keine Verkehrssicherungspflicht verletzt, meinte das OLK. Das wäre aber Voraussetzung gewesen, damit der Schadensersatzanspruch durchkommt. Dazu aus dem Urteil:
„Das LG hat einen – ursächlichen – Instruktionsfehler der Bekl., worauf die Kl. die Klage erstinstanzlich allein gestützt hat, verneint. Das lässt keinen durchgreifenden Fehler zum Nachteil der Kl. erkennen. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, ist es grundsätzlich Sache desjenigen, der ein bestimmtes Produkt anschafft, sich selbst darum zu kümmern, wie er damit umzugehen hat. Der Hersteller und seine Repräsentanten haben nur dann für die Belehrung der Abnehmer zu sorgen, wenn und soweit sie auf Grund der Besonderheiten des Produkts sowie der bei den durchschnittlichen Benutzern vorauszusetzenden Kenntnisse damit rechnen müssen, dass bestimmte konkrete Gefahren entstehen können. […]“
„Denn es liegt auch nach Überzeugung des Senats im Bereich des allgemeinen Erfahrungswissens des hier in Betracht kommenden Abnehmerkreises, dass die untere Kante der verhältnismäßig dünn ausgelegten Stahlwand schon in Anbetracht des erkennbar hohen Gewichts der Stahlwand beim Aufbau Verletzungsgefahren in sich birgt, wenn diese auf den – wie hier – nur mit einem leichten Stoffschuz bekleideten Fuß gestellt oder darüber hinweggezogen wird. Richtigerweise gilt dies nach dem hier gültigen Maßstab auch dann, wenn in Ansehung des typischen Abnehmerkreises eines derartigen Freizeitprodukts zum Eigenaufbau auf das Erfahrungswissen handwerklich nicht versierter Privatkunden und nicht dasjenige entsprechend geschulten gewerblichen Montagepersonals als maßgebliche Referenzinstanz für die Bestimmung des Sicherheitsniveaus abgestellt wird. […]“
„Bei dieser Sachlage war die Bekl. bei gebotener Zugrundelegung des Erfahrungswissens und der Gefahrsteuerungskompetenz […] eines Durchschnittskonsumenten auch nicht verpflichtet, auf die Notwendigkeit des Tragens von geeignetem Schuhwerk oder gar Sicherheitsarbeitsschuhen bei Aufbau hinzuweisen.“
Eine Urteilsbegründung mit Beigeschmack
Sicher ist dem Grundgedanken der saarländischen Richter zuzustimmen, dass jeder sich erst einmal selber genug Gedanken darüber machen muss, wie er die Handwerksarbeiten sicher durchführt. Ob das aber wirklich soweit reicht, dass man wissen muss, dass Sicherheitsarbeitsschuhe zu tragen sind? In einem Normalhaushalt sind solche eher nicht im Schuhschrank zu finden. Weshalb soll sich dann für den Normalverbraucher der Gedanke aufdrängen, sie zu benutzen? Immerhin war auf die Benutzung von Handschuhen in der Montageanleitung hingewiesen worden. Hat diese nicht dadurch den Eindruck hervorgerufen, weitere Sicherheitsmaßnahmen müsste man nicht ergreifen? Ironie der Geschichte. Mittlerweile ist die Montageanleitung geändert. Jetzt wird auf die Sicherheitsschuhe hingewiesen.
Das Saarbrücker Urteil ist allerdings richtig, auch weil, Zitat aus den Urteilsgründen: „die Kl. – wie die Bekl. wiederholt aufgezeigt hat – im Prozess eine belastbare Darlegung des konkreten Schadenshergangs schuldig geblieben ist, namentlich es im vorläufigen Entlassungsbrief des Marienhaus Klinikums vom 17.06.2009 im Rahmen der Anamnese diesbezüglich heißt, die Kl. habe sich das Blech der Schwimmbeckenumrandung „beim Anheben auf das rechte OSG gestellt (…)“.
Dennoch lässt die Urteilsbegründung den Beigeschmack einer gewissen richterlichen Ferne zur Lebenswirklichkeit zurück.
Probleme mit den Verkehrssicherungspflichten auf Baustellen sind immer wieder ein Thema in unserem Bau-News-Blog:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.05.2012: Bauherr stürzt vom Gerüst – nicht immer haftet die Baufirma]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 25.01.2017: Kein Schadensersatz wenn Baustelle aufgeräumt ist]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 06.08.2019: Fallgrube hinter Notausgang – das kann teuer werden]
Dieser Beitrag ist im Blog „Bau-News“ erschienen.
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