Kölner Masche aus Pilsen: die Pro Stadtmarketing s.r.o. und ihre Bürgerfolder

08.06.2017 mit diversen Updates, zuletzt vom 11.09.2020 – In Postfächern der tschechischen Stadt Plzeň (Pilsen) halten sich seit Jahren Werbefirmen, die auf ganz spezielle Art und Weise an Anzeigenaufträge heran zu kommen versuchen. Und natürlich an das Geld der Betroffenen. Jetzt ist der nächste Name aufgetaucht. Eine Firma Pro Stadtmarketing s.r.o. mit ihrer 1953 geborenen Geschäftsführerin Helena Baierova.

Der Name ist neu, doch schaut man genauer hin, stellt man fest, dass es die Firma eigentlich schon seit März 2010 gibt – damals noch unter anderem Namen.


Es beginnt mit einem Trickanruf

Gewerbetreibende, Freiberufler und Vereine in Deutschland, die in der Vergangenheit in einer Zeitung oder einer von Kirchen oder Gemeinden heraus gegebenen Broschüre regelmäßig inseriert hatten, erhalten einen Anruf, wird uns berichtet. Der Anrufer bezieht sich auf diese Anzeige und erklärt, es müsse ein Formular unterschrieben werden – sonst könne das Inserat nicht in der nächsten Ausgabe veröffentlicht werden. Per E-Mail kommt kurz darauf das angekündigte Formular. „Zum Gegenzeichnen“, heißt es. Tatsächlich findet sich darin auch die bisher verwendete Anzeige.

[Muster des Formulars der Pro Stadtmarketing s.r.o]

Die so Angesprochenen gehen davon aus, dass alles seine Richtigkeit habe – und unterschreiben; schließlich hatte man gerade darüber gesprochen.

Später kommt eine Rechnung, deren Höhe die Empfänger solange verwundert, bis sie schließlich feststellen, Opfer einer Betrugsmasche geworden zu sein: 994,02 EUR einschließlich tschechischer MwSt. will man für eine Anzeige mit der Größe 40*90 mm haben. Zu zahlen auf ein Konto bei der tschechischen UNI Credit Bank. Innerhalb weniger Tage kommen Mahnungen und Drohungen mit einem Inkassounternehmen. 10 EUR Mahngebühr sollen dafür gezahlt werden.

Die Akquisemethode der Pro Stadtmarketing s.r.o. ist nicht neu. „Kölner Masche“ wird sie genannt. Bereits vor fünfzehn Jahren wurde sie erstmals in großem Umfang aus Köln angewandt und erfreut sich bis heute bei unseriösen Werbefirmen großer Beliebtheit.

[Mehr zur Kölner Masche]


Was ist die Gegenleistung?

Die Pro Stadtmarketing s.r.o.gibt an, einen sogenannten „Bürgerinformationsfolder“ zu erstellen. Was auch immer damit gemeint ist; ein Belegexemplar ist jedenfalls der Rechnung nicht beigefügt.

Der soll nach dem Kleingedruckten auf dem Formular der Pro Stadtmarketing s.r.o. eine Auflage von „mindestens“ 500 Exemplaren haben.

„Die Verteilung erfolgt durch Postversand, an Gewerbetreibende und/oder Gewerbeämter, Stadtverwaltungen und sonstige öffentl. Einrichtungen“ steht im Formular. Doch nach welchen Kriterien werden die Empfänger ausgesucht? Nur zum Verteilungsgebiet lässt sich etwas entnehmen. Zum Beispiel, das im Postleitzahlgebiet 86 verteilt wird. Das beginnt nördlich von Nördlingen und endet südlich von Augsburg - die Orte liegen bis zu 100 km auseinander. Ein Werbeeffekt ist bei gerade einmal 500 verteilten Bürgerinformationen damit nicht gegeben.

Im Kleingedruckten des Formulars heißt es übrigens:

„Es handelt sich hier um einen neuen Auftrag, der mit anderen Aufträgen bei uns oder bei anderen Firmen nicht in Verbindung steht und deren Gültigkeit nicht berührt. Der Auftraggeber bestätigt ausdrücklich, dass weder Werbestadtpläne bzw. Werbekarten und Broschüren anderer Verlage Grundlage dieses Auftrages sind.“

Außerdem:

„Auftrag wird ohne öffentlichen Auftrag/behördenunabhängig ausgeführt.“

Warum man das so betont? Doch wohl, weil genau dieses suggeriert werden sollte und wurde!


Weitere Rechnungen folgen

Wer glaubt, wenn er zahlt, würde er seine Ruhe haben, hat sich getäuscht. Nach dem Kleingedruckten im Formular wird man innerhalb von zwei Jahren insgesamt viermal zur Kasse gebeten. 3.976,08 EUR will die Pro Stadtmarketing s.r.o. haben. Manchmal auch mehr, denn im Kleingedruckten des Formulars findet sich eine bei derartigen Firmen übliche Verlängerungsfalle:

„Der vorliegende Anzeigenvertrag verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn der Auftrag nicht drei Monate vor Vertragsablauf schriftlich gekündigt wird.“


Keine neue Firma

Die Firma Pro Stadtmarketing s.r.o. wurde am 31.3.2010 gegründet. Damals nannte sie sich noch Pro Reclama s.r.o. und war auch im Anzeigengeschäft der besonderen Art tätig. Ob der Name verbrannt war? Jedenfalls trug man den am 10.01.2017 den heutigen Namen zur Handelsregisternummer (IČO) 2908122 in das Handelsregister beim Landgericht Plzeň ein. Das Stammkapital der Firma beträgt 200.000 CZK, das sind umgerechnet etwa 7.610 EUR.


Die Forderungsabwehr ist möglich

So zustande gekommene Verträge sind angreifbar – nicht nur wegen der Art und Weise, wie sie zustande kommen, sondern auch schon wegen der mangelnden Bestimmtheit der von der Pro Stadtmarketing s.r.o. geschuldeten Leistung. Um es im Juristenlatein zu sagen: es mangelt an den essentialia negotii.

Das Geschäftsmodell solcher Firmen hält sich, weil zu viele sich schämen, herein gelegt worden zu sein und zahlen. Oder sich auf einen Halbe-Halbe-Vergleich einlassen – statt sich zu wehren. In der Abzockerszene wird von bis zu 70% der Betroffenen gesprochen, die vielen Mahnungen und noch mehr Mahnungen soweit sind.

Wenn man eine Rechnung für einen angeblich auf diese Weise an die Pro Stadtmarketing s.r.o.l erteilten Auftrag erhält, ist nach unserer Erfahrung eine frühest mögliche Reaktion der sicherste Weg, um sich wehren zu können. Gerne können Sie uns ansprechen. Am besten mailen Sie uns - unverbindlich - vorab den kompletten Schriftwechsel; wir melden uns dann.

Wenn man einen Mahnbescheid erhält, laufen Fristen gegenüber dem Gericht, die ernst zu nehmen sind. Es reicht nicht aus, nur an die Pro Stadtmarketing s.r.o. oder deren Anwalt zu schreiben – ein immer wieder festzustellender Fehler. Und auch bei Post eines deutschen Inkassounternehmens wird man aktiv werden müssen. Nachteile bei Schufa & Co. sind sonst nicht auszuschließen.



Update vom 09.06.2017:

Nur wenige Stunden war unser Blog-Beitrag über die pro Stadtmarketing s.r.o. alt, als uns eine weitere Variante des Trickanrufs geschildert wurde:

„Die Dame am Telefon fragte, ob ich den Vertrag (Anzeige im Gesundheitsmagazin) verlängern möchte. Daraufhin verneinte ich dies und sagte, dass ich den Vertrag kündigen wolle. Sie fragte warum und ich antwortete, dass er mir nichts brächte (keine Neukunden). Daraufhin sagte sie, dass sie das auf einem Formular notieren würde, aber noch eine Unterschrift bräuchte, um das Ganze weitergeben zu können.“

Kurz darauf kam per Fax das Formular. Optisch leicht verändert, inhaltlich entspricht es aber dem, über das wir gestern berichtet hatten.

[Beispiel eines Formulars der Pro Stadtmarketing s.r.o. – Faxvariante]

Zurückgesandt werden soll es an eine deutsche Faxnummer, deren Vorwahl 03221 ist keinem bestimmten Ort zugeordnet.



Update vom 28.11.2018:
Neues Konto

Eines der großen Probleme, das die Firmen dieser speziellen Geschäftswelt haben, ist das Konto. Häufen sich Beschwerden bei den Banken, wird es gekündigt. Und ohne Konto fließt kein Geld.

Was der Grund für die neue Bankverbindung der Pro Stadtmarketing s.r.o. ist, wissen wir nicht. Jedenfalls sollen die Betroffenen nach uns vorliegenden Schreiben vom November 2018 jetzt auf ein Konto bei der tschechischen Moneta Money Bank zahlen.



Update vom 25.05.2020:

Wieder eine neue Bankverbindung. Im Mai 2020 sollen Betroffene auf ein Konto bei der tschechischen Fio Banka a.s. zahlen.



Update vom 11.09.2020:

Jetzt soll auf ein Konto bei der tschechischen Moneta Money Bank gezahlt werden.


Ohne sie geht gar nichts:
[Callcenter - Maschinenräume der Abzockerszene]





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