Kein Schmerzensgeld nach Sturz – Baufirma muss Bauherrn auf Baustelle nicht vor sich selber schützen
03.12.2013 – Auf einer Baustelle drohen Gefahren – schnell kann man sich verletzen; vor allem, wenn man Laie im Baugeschehen ist. Böse Verletzungen hatte sich im Raum Heilbronn eine Bauherrin zugezogen, die nachschauen wollte, wie die Swimmingpool-Bauleute in ihrem Garten der Arbeit nachgehen. Auf einem feuchten Flecken war sie gestürzt. Ihr Versuch, sich das Ganze unter anderem mit 5.000 EUR Schmerzensgeld von der Baufirma entschädigen zu lassen, scheiterte nach einem Hinweis des Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 19.07.2013 – 5 U 37/13).
Eine Bauherrin ließ auf ihrem Grundstück einen Swimmingpool erstellen. Eine Baufirma führte dazu die Betonhinterfüllung der Poolwanne durch. Synchron dazu wurde auch die Poolwanne mit Wasser befüllt. Erdaushub und Baumaterial lagerte auf dem Grundstück. Teilweise war der Boden des Gartens von der Bauherrin und ihrem Lebensgefährten mit Kunststoffvlies gegen Rutschgefahr und zur Verminderung der Verschmutzung von Schuhen abgedeckt worden.
Schließlich war fast alles erledigt, als die Baufirma begann, ihre Arbeitsgeräte in der Mitte des Gartens zu reinigen – mit viel Wasser.
Die Bauherrin hatte schon häufig die Baustelle in ihrem Garten aufgesucht, auch um die Bauarbeiten fotografisch zu dokumentieren – etwas, was vernünftig bist und was wir jedem Bauherren immer wieder dringend ans Herz legen. Allerdings sollte man dann richtig angezogen sein und aufpassen, wohin man tritt. Die Bauherrin trug Kunststoffschuhe der Marke „Crocs“, als sie wieder einmal ihren Garten aufsuchte. Feuchtigkeit und Kunststoffschuhe – da ist ein Unfall nicht weit. So kam es auch. Sie stürzte und zog sich dabei einen Außenbandriss am rechten Fuß sowie einen Wadenbeinbruch zu.
Daran sei nur die Baufirma schuld, meinte sie danach. Weil die ihre Geräte dort gereinigt habe. Und überhaupt – einem Laien wie ihr sei nicht bekannt, dass auf Baustellen jederzeit mit dem Auftreten von Wasser zu rechnen sei. Wegen Verstoß gegen ihre Verkehrssicherungspflichten müsse die Baufirma ihr jetzt Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen. Das machte die nicht – und wurde verklagt. Vergeblich. Das Landgericht Heilbronn wies die Klage ab. Und in der Berufungsinstanz gab das Oberlandesgericht Stuttgart den Hinweis, dass es dort auch nicht anders ausgehen werde.
An sich war die Idee, mit einem Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten zu argumentieren, gar nicht so schlecht. Denn, so im Hinweisbeschluss des OLG Stuttgart:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.“
Aber dann folgen die Einschränkung der Richter:
„Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden.“
Besondere Vorsorge muss dann nicht getroffen werden, wenn nur ein beschränkter Personenkreis die Baustelle aufsucht: Handwerker zum Bauspiel. Oder die Bauherren. An die Adresse der Bauherrin formuliert das Gericht schließlich deutliche Worte:
„Eine feuchte Stelle auf einem Gartenboden ist zudem keine außergewöhnliche Gefahrenstelle, die auch Personen leicht zum Verhängnis werden kann, die mit den Gegebenheiten und den üblichen Gefahren einer Baustelle vertraut sind. Eine Pflicht zur Absicherung dieser Stelle traf die Beklagten daher jedenfalls nicht wegen einer ausnahmsweise besonders gesteigerter Gefährlichkeit der Situation. Eine feuchte Stelle im Umkreis von Bauarbeiten, die der Errichtung eines Swimmingpools dienen, stellt zumindest für Baukundige eine ohne weiteres beherrschbare Gefahr dar, auch dann, wenn die Witterung trocken ist, denn es ist jedem Handwerker selbstverständlich bewusst, dass auf einer Baustelle immer mit Gefahren zu rechnen ist, so dass er seine Schritte mit entsprechender Vorsicht setzt.
[….] deutlich erkennbar, dass ihr Garten während der Bauarbeiten nicht mehr als Erholungsfläche angesehen werden konnte, sondern in ein unwegsames Baugelände umgewandelt worden war. Wenn die Klägerin sich dennoch - ohne dass dafür ein zwingender Grund bestand - in diesen deutlich als gefahrenträchtig ersichtlichen Bereich begab, durften die Beklagten damit rechnen, dass sie dies, schon im eigenen Interesse, mit Vorsicht tun würde. Da auf dem Grundstück auch nur solche Gefahren lauerten, die für Personen, die mit Umsicht und offenen Augen umhergingen, leicht beherrschbar waren, konnten die Beklagten das Risiko eingehen, die Klägerin auf die Baustelle zu lassen […]
Insbesondere entspricht es nicht den allgemeinen Sicherungserwartungen auf einer Baustelle, dass jede Stelle des Erdbodens, deren Überqueren erhöhte Sorgfaltsanforderungen stellt, tunlichst ganz vermieden oder abgeschrankt oder mit Warnhinweisen versehen wird. Wollte man dies verlangen, würden sich die Arbeiten auf einer Baustelle zu einem wesentlichen Teil in Sicherungsmaßnahmen erschöpfen […]
Zu dem weiteren Einwand der Klägerin, von ihr als Laiin könne das Wissen nicht erwartet werden, dass auf einer Baustelle mit Wasser zu rechnen sei, ist zu bemerken, dass es jedenfalls zum allgemeinen Wissen gehört, dass man sich auf einer Baustelle mit Vorsicht und Aufmerksamkeit bewegen muss. Schon die Einhaltung dieser Basiserwartung hätte zur Vermeidung des Unfalls geführt.“
Auch wenn es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, macht das Gericht doch eines deutlich. Eine Baufirma hat Verkehrssicherungspflichten nur in beschränktem Umfang, wenn ein Baugrundstück nur einem beschränkten Personenenkreis zugänglich ist.
Probleme mit den Verkehrssicherungspflichten auf Baustellen sind immer wieder ein Thema in unserem Bau-News-Blog:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 23.11.2011]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.05.2012]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.04.2014 - 1. Beitrag von diesem Tag]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 17.04.2014 - 2. Beitrag von diesem Tag]
Dieser Beitrag ist im Blog „Bau-News“ erschienen.
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