Landgericht Coburg: wer eine ausgehängte Tür verschiebt, ist nicht schutzbedürftig
29.09.2014 - Handwerker müssen Sorgfaltspflichten beachten, wenn sie in Räumen tätig sind, in denen sich noch andere aufhalten. Sie haben dafür zu sorgen, dass die dabei nicht zu Schaden kommen. Wer sich in diesen Räumen aufhält, muss aber auch selbst aufpassen. Tut er es nicht, ist er nicht schutzbedürftig. Es gibt keine Pflicht eines Handwerkers, andere Leute vor sich selbst zu schützen. Das ist der Tenor eines Urteils des Landgerichts Coburg (LG Coburg, Urteil vom 01.08.2014 – 22 O 6199/13; der Link führt zu einer Pressemitteilung des Landgericht Coburg), mit dem die Klage einer Raumpflegerin eines Kindergartens abgewiesen wurde.
In Oberfranken wurden in einem Kindergarten Baumaßnahmen durchgeführt. Einer der Handwerker hängte die Zugangstür zu einem Waschraum aus. Dann lehnte er sie im Waschraum neben dem Eingang gegen die Wand. Eine emsige Raumpflegerin ging in diesen Waschraum. Sie wollte ihn reinigen. Dabei stellte sie fest, dass die Tür einer Toilettenkabine durch die ausgehängte Zugangstür zum Waschraum blockiert war. „Selbst ist die Frau“ dachte die Raumpflegerin und versuchte, die angelehnte Tür zur Seite schieben. Dabei geschah es: die Tür fiel ihr auf den Arm. Zu allem Unglück stürzte dann auch sie - und geriet teilweise unter die Tür. So unglücklich, dass sie sich den linken Oberarm brach. Fünfeinhalb Monate war sie krankgeschrieben. Danach verlangte sie vom Handwerker 5000 EUR Schmerzensgeld und noch weitere 3000 EUR sonstigen Schadensersatz. Ihr Argument: er hätte nicht die Tür aushängen dürfen. Weil er es dennoch gemacht hat, hätte er eine Verkehrssicherungspflicht verletzt – und müsste zahlen.
Er zahlte nicht und deshalb kam es zum Prozess vor dem Langgericht Coburg. Für die Raumpflegerin ging er nicht gut aus. Das die Tür ausgehängt worden war, sei nicht sorgfaltswidrig, urteilte das Gericht. Die Tür war sachgemäß aufgestellt, sie drohte nicht von alleine umzufallen. Das dies dennoch geschah, lag einzig und allein daran, dass die Raumpflegerin selber versucht hatte, die Tür zur Seite zu schieben – und dann die Kontrolle verlor. Vor so etwas muss aber kein Handwerker jemanden schützen.
Nicht immer sind die Urteile eines deutschen Landgerichts auch wirklich lebensnah – dieses schon. Es gibt nun einmal Arbeiten, bei denen eine Tür ausgehängt werden muss. Soll da wirklich jedes Mal ein – mehr oder minder teuer zu bezahlender - Mitarbeiter abgestellt werden, der die Tür vor übereifrigen Aktivitäten anderer schützt?
Einen Freibrief für Handwerker, dass sie auf Baustellen jegliche Sorgfaltspflicht unterlassen können, stellt dies Entscheidung aber nicht dar. Wenn ein Handwerker feststellt, dass andere eine Gefahrenlage nicht erkennen können, muss er Sicherheitsmaßnahmen treffen. Unterlasst er dies, wird er zahlen müssen, wenn es zum Schaden kommt. Und dann kann es auch schon mal um größere Beträge gehen.
Probleme mit den Verkehrssicherungspflichten auf Baustellen sind immer wieder ein Thema in unserem Bau-News-Blog:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 19.05.2012: Bauherr stürzt vom Gerüst – nicht immer haftet die Baufirma]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 25.01.2017: Kein Schadensersatz wenn Baustelle aufgeräumt ist]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 06.08.2019: Fallgrube hinter Notausgang – das kann teuer werden]
Dieser Beitrag ist im Blog „Bau-News“ erschienen.
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