Prozess gegen Architekten verloren – weil nicht eindeutig, wer Vertragspartner war
28.11.2015 – „Die meisten Unfälle passieren am Schreibtisch“ hieß es vor einiger Zeit in einer Werbekampagne des Deutschen Anwaltverein. Gezeigt wurden zwei Hände, von sich offensichtlich gegenüber sitzenden Personen. Beide unterschrieben mit Kugelschreibern ein vor ihnen liegendes Papier – an einem Schreibtisch.
Mehrere hunderttausend Euro kostete es eine Gesellschaft, dass einer der Gesellschafter beim Abschluss eines Architektenvertrages nicht deutlich machte, dass nicht er selber, sondern die Gesellschaft Vertragspartner werden sollte. Ein „in Vertretung“ oder – noch kürzer „i.V.“ vor seiner Unterschrift hätte wohl gereicht, um das klarzustellen.
Stattdessen entschied das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.02.2013 – 12 U 136/12), dass die Bezeichnung des Bauherrn im Vertrag nicht eindeutig sei. Und verweigerte der Bauherrengesellschaft Schadensersatzansprüche. Mangels Aktivlegitimation, wie es im Juristendeutsch heißt. Die Entscheidung ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 11.06.2015 – VII ZR 66/13) eine Nichtzulassungsbeschwerde zurück gewiesen hatte.
Manche Auseinandersetzungen am Bau dauern lange – diese rund 15 Jahre.
Der Unfall beim Unterschreiben
Im Januar 1990 gründeten im süddeutschen Raum einige Geschäftsleute eine Gesellschaft. Es ging dabei im wahrsten Sinne des Wortes familiär zu. Eine Familienstiftung war Gesellschafter, ebenso die Familie D selbst, ein Mann, wir nennen ihn der Einfachheit halber "Mann-D", das Gericht kürzte ihn mit "W.. D..." ab, eine Frau, deren Tochter. Ein Verbrauchermarkt mit Tiefgarage sollte in einem Gewerbegebiet gebaut werden. Auf einem Grundstück, das der Mann-D. gekauft hatte.
Ein Architekt wurde gesucht. Und gefunden. 1992 wurde der Architektenvertrag geschlossen. Der Mann-D unterschrieb ihn. Ohne jeglichen Zusatz. Das Vorhaben stand unter keinem guten Stern und hier wurde der Keim des Unglücks gelegt.
Das Vorhaben zog sich hin, aber Mitte 1998 war es fertig. Die Architektenleistung wurde abgenommen. Der Mann-D bezahlte ihn.
Wasser im Gebäude
Bald danach begannen die nächsten Probleme. Das Dach war undicht, was für die Nutzung eines Gebäudes als Verbrauchermarkt eine unschöne Sache ist. Sachverständige kamen, ein Planungsfehler des Architekten wurde festgestellt. Der informierte seine Haftpflichtversicherung - und ließ das Dach sanieren. Doch die Wasserprobleme waren damit nicht aus der Welt geschafft. Im Gegenteil: sie wurden schlimmer. Auf der Westseite des Gebäudes, im Bereich der Warenanahme, drang das Wasser bis in die Tiefgarage ein. Der Architekt lehnte weitere Arbeiten ab.
Im September 2003 beantragte die Bauherren-Gesellschaft ein gerichtliches Beweisverfahren. Das Landgericht beauftragte einen renommierten Sachverständigen, ein Ingenieur mit Professoren-Titel. Es zog sich wieder in die Länge, aber schließlich stellte der fest, dass die Planung und Bauleitung des Architekten mangelhaft war. Mittlerweile war der Sommer 2010 erreicht. Da lebte der Mann-D schon nicht mehr; er war 2006 gestorben.
Die Bauherrengesellschaft klagt - und kann nicht nachweisen, Vertragspartner zu sein
Die Bauherrengesellschaft forderte Schadensersatz, fast eine Viertel-Million. Der Architekt – wahrscheinlich aber: die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung – lehnte jede Zahlung ab. Die Bauherren-Gesellschaft verklagte ihn vor dem Landgericht Stuttgart. Und verlor. Ebenso ging es vor dem Oberlandesgericht Stuttgart aus; dorthin hatte man Berufung eingelegt.
Das Problem war die Unterschrift des Mann-D. Wer war damals Vertragspartner des Architekten geworden? Nur dem hätte der Schadensersatzanspruch zugestanden. War es die Bauherren-Gesellschaft, die den Architekten verklagt hatte. Oder der mittlerweile tote Mann-D., wie der Architekt meinte. Letzterer entschied das Gericht. Aus der Urteils-Begründung des OLG Stuttgart:
„Ein – gewichtiges – Argument für die Auffassung des Beklagten ergibt sich aus der Unterzeichnung der Urkunde (Anlage K 2 ; Anmerkung Rechtsanwälte Radziwill: das ist der Architektenvertrag). Diese trägt auf Seiten des Bauherrn lediglich die Unterschrift des W... D... Ein die klägerseits behauptete Vertretung kennzeichnender Zusatz, etwa „in Vertretung“ oder „i.V.“ fehlt. Die Art und Weise der Unterzeichnung spricht mithin aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers dafür, dass W... D... für sich selbst handeln wollte und gehandelt hat […]
Schließlich erweckt die Vertragsurkunde (Anlage K 2) den optischen Eindruck, als seien dort im Rubrum ein Komma und das Wort „W...“ in der ersten Zeile nachträglich eingefügt worden, was dafür sprechen könnte, dass auf diese Weise ausdrücklich klargestellt werden sollte, dass nicht die Klägerin, sondern W... D... Vertragspartei und Bauherr im Sinne des Vertrages ist. Abschließend ließ sich dies aber auch bei Inaugenscheinnahme der Originalurkunden der Klägerin und des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2013 nicht klären […]
Aus dem Wortlaut der Urkunde selbst lässt sich mithin jedenfalls keine sichere Überzeugung i.S.d. § 286 ZPO von einer Stellung der Klägerin als Vertragspartei gewinnen. Auch bei Berücksichtigung außerhalb der Urkunde liegender Umstände bleiben zumindest Zweifel an der klägerischen Auffassung. Vieles spricht sogar umgekehrt für die Auffassung des Beklagten und also eine Stellung des W... D... persönlich als Vertragspartei […]
Zusammenfassend sprechen damit gewichtige Argumente dafür, dass W... D... persönlich Vertragspartner des Beklagten im Hinblick auf den streitgegenständlichen Vertrag (Anlage K 2) geworden ist. Jedenfalls aber ist es der Klägerin nicht gelungen, den ihr obliegenden Nachweis einer Stellung der Klägerin als Vertragspartei und damit ihrer Aktivlegitimation zu führen bzw. insofern die Vermutungsregel des § 164 Abs. 2 BGB zu widerlegen.“
Mit dem Thema Architekt und Fragen rund um seine Tätigkeit haben wir uns in unserem Blog schon öfter beschäftigt. Zum Beispiel mit Fragen zum Architektenhonorar:
Haben Architekten eigentlich Urheberrechtsansprüche für Ihr Werk und können sie damit lange nach Ende ihrer Arbeit dem Bauherrn ihre Wünsche aufzwingen? Theoretisch ja, praktisch aber viel seltener als mancher Architekt denkt:
[Zum Blog-Beitrag vom 02.07.2017: Architekt kann normalerweise nicht Aufträge für Bauherrn auslösen]
Außerdem:
[Zum Bau-News-Beitrag vom 26.01.2014: Das Eigenheim mit einem Architekten bauen?]
[Zum Bau-News-Beitrag vom 10.04.2017: Kein Anspruch des Architekten, Pfusch selber zu beseitigen]
Wer bauen lässt, hat ein Recht darauf, dass dies mängelfrei geschieht. Die Praxis sieht manchmal anders aus. Doch immer wieder müssen wir feststellen, dass die Durchsetzung ihrer Rechte manchen Bauherren schwerfällt – sie mitunter auch Fehler dabei machen.
[Zum Bau-News-Beitrag vom 04.07.2015: Der Bau, die Mängel und die Rechte des Bauherrn]
Dieser Beitrag ist im Blog „Bau-News“ erschienen.
Ihr Ansprechpartner: Claus Radziwill, Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin
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