Wenn das Zweifamilienhaus drei Wohnungen hat - Bauaufsicht darf kontrollieren

14.03.2017 – Die Bauaufsichtsbehörde ist berechtigt, auch gegen den Willen des Eigentümers ein Gebäude zu betreten, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass es nicht dem Baurecht entspricht. Das stellte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.12.2016 – 7 B 1257/16) fest.

In einem Zweifamilienhaus schienen sich die Wohnungen vermehrt zu haben. Und die Hauseigentümer waren ganz und gar nicht daran interessiert, die Behörde ins Haus zu lassen.


Zweifamilienhaus - doch drei Briefkästen, drei Klingelschilder, drei Eingänge

Es geschah sich im südwestlichen Nordrhein-Westfalen. Anfang der 60er Jahre war ein Zweifamilienhaus genehmigt und gebaut worden. 1982 wurde der Ausbau des Dachgeschosses genehmigt – nicht aber der Bau einer dritten Wohnung.

2016 wurde die Behörde stutzig. Das Haus verfügte jetzt über drei Briefkästen, drei Klingelschilder, sowie drei getrennte Eingänge. Was lag da näher, als dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde den Sachverhalt näher prüfen wollte. Doch bei den Hauseigentümern stieß sie auf Granit. Sie untersagten ein Betreten des Hauses.


Hauseigentümer: die Behörde darf nicht ins Haus

Für eine Behörde ist das kein unüberwindliches Hindernis. Am 02.08.2016 erließ sie eine Duldungsverfügung. Deren Inhalt: Die Hauseigentümer hätten eine Kontrolle der Bauaufsichtsbehörde zu dulden. Und damit sie nicht durch eine sich möglicherweise über Jahre hinwegziehende Klage vor dem Verwaltungsgericht ausgebremst wird, ordnete die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit der Duldungsverfügung an.

Tatsächlich erhob die Hauseigentümer sofort Klage gegen die Duldungsverfügung – die Behörde hätte in dem Haus nichts verloren, meinten sie. Es blieb jedoch das Problem der sofortigen Vollziehbarkeit. Wenn man etwas verbergen wollte, würde die Klage dies erst einmal nicht verhindern. So begannen die Hauseigentümer ein zweites Verfahren. Ihr Ziel: die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Oder anders ausgedrückt: die sofortige Vollziehbarkeit sollte entfallen.

Am 30.09.2016 verloren sie in der ersten Instanz, vor dem Verwaltungsgericht Köln. Die Kölner Richter meinten, es gäbe objektive Anhaltspunkte dafür, dass im Dachgeschoss eine dritte, selbstständige Wohneinheit errichtet worden war; wofür es keine Baugenehmigung gab.


Gericht: doch, wenn Besichtigung neue Erkenntnisse liefern kann

Die Hauseigentümer legten Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht NRW in Münster ein. Ihr Argument: wer, wo schläft, Fernsehen sieht oder Schlüssel besitzt, ginge die Behörde nichts an, auch nicht, ob eine dritte Klingel vorhanden sei und funktioniere. Die Oberverwaltungsrichter sahen das anders. Aus dem Urteil:

„Maßgeblich ist vielmehr, ob die baulichen Gegebenheiten so zu werten sind, dass eine dritte Wohneinheit erstellt worden ist, woraus sich dann ein bauaufsichtliches Genehmigungserfordernis und ein entsprechendes materielles Prüfprogramm ergibt, da etwa aus §§ 48, 49 BauO NRW für Wohngebäude mit drei Wohneinheiten verschiedene bauordnungsrechtliche Anforderungen resultieren, die für Gebäude mit bis zu zwei Wohneinheiten nicht gelten.“

Auch das Argument der Eigentümer, sie hätten alles offen gelegt, nämlich dass es eine dritte Wohnung in dem Haus nicht gäbe, überzeugte das Oberverwaltungsgericht nicht. Noch einmal aus dem Urteil:

„Es erscheint nämlich nach dem Inhalt der vorliegenden Akten keineswegs ausgeschlossen, dass auf der Grundlage der Feststellungen einer behördlichen Besichtigung eine Untersagung der Nutzung des Gebäudes mit einer dritten selbständigen Wohneinheit unter dem Aspekt formeller und gegebenenfalls auch materieller Illegalität in Betracht kommt. Nach den bereits oben genannten Tatsachen - es gibt einen getrennten Eingang zum Dachgeschoss und an der Haustüranlage drei Klingelschilder und drei Briefkästen - kommt es in Betracht, dass in Abweichung von der vorliegenden Baugenehmigung eine selbständige dritte Wohnung in dem als Zweifamilienhaus genehmigten Gebäude geschaffen worden ist. Dazu hätte es in formeller Hinsicht einer Baugenehmigung bedurft. In materieller Hinsicht müssten u. a. die einschlägigen Anforderungen der §§ 48, 49 BauO NRW erfüllt sein. Im Hinblick darauf könnte die bauaufsichtsbehördliche Besichtigung Erkenntnisse vermitteln, die von dem abweichen, was die Antragsteller bislang mitgeteilt haben.“



Dieser Beitrag ist im Blog „Bau-News“ erschienen.


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