Richtiges Verhalten im Ermittlungsverfahren

Meistens kommt die schlechte Nachricht aus dem Briefkasten: ein Schreiben der Polizei mit der Mitteilung, es werde ein Ermittlungsverfahren geführt. Mit einem Fragebogen. Oder direkt einer Vorladung zur Polizei. Man sei ein Beschuldigter, ist zu lesen.


Muss man zur Polizei?

Nein! Entgegen einer verbreiteten Ansicht ist niemand verpflichtet, zur Polizei zu gehen. Erst recht ist man als Beschuldigter niemals verpflichtet, eine Aussage zu machen.

Nur wenn das Gericht oder die Staatsanwaltschaft einen laden, muss man erscheinen. Man muss aber selbst dann als Beschuldigter keine Aussage machen. Nur Angaben zum Namen, Wohnsitz, Alter, Beruf und der Staatsangehörigkeit (sogenannte Angaben zur Person). Als Beschuldigter hat man nämlich ein Aussageverweigerungsrecht.


Sollte man trotzdem zur Polizei gehen?

Niemals! Auch dann nicht, wenn es sich um ein Missverständnis handelt und man unschuldig ist! Jede Aussage und selbst ein vermeintlich freundliches Gespräch am Rande können gegen einen verwendet werden. In diesem Moment entscheidet sich häufig schon der spätere Ausgang eines Verfahrens. Ganz zu schweigen von der Gefahr, sich im Eifer des Gefechts auch noch um Kopf und Kragen zu reden ("Ich habe die Fußgängerin einfach nicht gesehen, da ich gerade telefonierte."). Da nutzt es auch nichts mehr, die Unterschrift unter das Vernehmungsprotokoll zu verweigern. Dann wird der die Vernehmung durchführende Polizeibeamte im Zweifel als Zeuge gehört - und bekunden, dass alles genau so gesagt wurde, wie es im Protokoll steht.


Bei der Polizei nicht einmal anrufen!

Deshalb auch sollte man nicht einmal bei der Polizei anrufen und den Termin zur Vorladung absagen. Vielleicht wird man dabei in ein kurzes Gespräch verwickelt und macht unbedachte oder missverständliche Angaben - die dann als Vermerk in der Akte auftauchen.


Fragebogen (fast nicht) ausfüllen

Auch ein mit der Post zugeschickter Fragebogen sollte bis auf die Angaben zur Person nicht ausgefüllt werden. Nur diese Angaben muss man machen, mehr nicht.

Dass Sie sich nicht melden, nicht zur Polizei gehen und keine Aussage machen, darf niemand zu Ihrem Nachteil verwenden.


Man muss wissen, was die Gegenseite weiß!

Entscheidend ist es, zu wissen, was in der Ermittlungsakte oder in der Bußgeldakte steht. Nur so kann man vermeiden, sich in Widersprüche zu verfangen oder versehentlich mehr anzugeben, als die Behörden wissen.

Erst wenn man den Inhalt der Akte kennt, kann man eine zielorientierte Verteidigungsstrategie entwickeln.

Ein Anwalt (natürlich auch: Anwältin) hat das Recht auf die umfassendste Akteneinsicht.


Wann sollte man einen Anwalt informieren?

Immer so früh wie möglich. Einige Tage vor einer Gerichtsverhandlung ist es mitunter schon zu spät.

Der erste Schritt des Anwalts ist es, sich bei der Ermittlungsbehörde oder der Bußgeldbehörde zu melden und eine Akteneinsicht in die Ermittlungs- oder Bußgeldakte zu beantragen. Wenn die Akte vorliegt, wird deren Inhalt mit dem Mandanten besprochen und gemeinsam überlegt, was sich tatsächlich ereignet hat. Erst dann kann die Verteidigungsstrategie überlegt werden. Das kann eine Stellungnahme (sogenannte Einlassung) sein, die der Anwalt schreibt. Vielleicht müssen auch Anträge gestellt werden, dass bestimmte Zeugen angehört, ein Sachverständigengutachten eingeholt oder weitere Ermittlungen in einer bestimmten Richtung geführt werden sollen. Manchmal stellt sich auch heraus, das Schweigen die beste Verteidigung ist.


Wenn die Polizei nach Hause kommt: nach einem Unfall, bei einer Durchsuchung...

Ruhig bleiben. Ansonsten gilt hier das gleiche. Man muss nur Angaben zum Namen, Wohnsitz, Alter, Beruf und der Staatsangehörigkeit machen. Ansonsten hat man ein Aussageverweigerungsrecht.

Bei einer Durchsuchung sollte man zusätzlich noch erklären, dass man dieser widerspricht. Mehr nicht. Auch dann nicht, wenn man ein reines Gewissen und an sich nichts zu verbergen hat. Voreilige Erklärungen richten häufig mehr Schaden an, als Nutzen zu bringen. Der Widerspruch gegen die Durchsuchung wird von der Polizei im Protokoll vermerkt; man erhält davon einen Durchschlag. Begründen muss man die Erklärung nicht, sollte man auch nicht.

Auch Unterschreiben sollte man nichts; selbst die Sicherstellungsprotokolle nicht. Man ist dazu nicht verpflichtet und macht in der Aufregung vielleicht Fehler. Dass Sie nicht unterschreiben, kann nicht zu Ihrem Nachteil verwendet werden.

So schnell wie möglich sollte dann ein Anwalt informiert werden, damit eine erste Verteidigungsstrategie überlegt werden kann.


… oder man festgenommen wird

Nach einer vorläufigen Festnahme muss man bis spätestens zum Ablauf des nächsten Tages dem Haftrichter vorgeführt werden. Also im ungünstigsten Fall innerhalb von 47 Stunden und 59 Minuten. Der entscheidet dann über die Verhängung von Untersuchungshaft. Natürlich kann es auch sein, dass die Polizei einen schon vorher entließ.

In so einer Situation ist die Versuchung groß, eine Aussage zu machen. Was aber nur zu häufig ein Fehler - siehe oben - ist. Unter Umständen schafft man sich erst damit den Haftgrund ("Ich will nächste Woche nach Thailand reisen").

Wenn sich abzeichnet, dass man eine Vorführung vor den Haftrichter droht, sollte man umgehend mit einem Rechtsanwalt Kontakt aufnehmen. Nichts ohne Anwalt sagen. Auch nicht in einem vermeintlich freundlichen Gespräch ("mal unter uns Beiden") am Rande.


Zahlt die Rechtsschutzversicherung für die Verteidigung?

Auf diese Frage gibt es eine typische Juristenantwort. Es kommt darauf an. [Mehr dazu]


(Bearbeitungsstand 23.04.2021)



[Mehr zu unserem Tätigkeitsfeld im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht]



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